1 From: Boris Kraut <krt@nurfuerspam.de>
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2 Date: Mon, 15 May 2006 00:00:00 +0000
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5 Message-ID: <20060515000000.uzq3vs@silberbruch>
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9 To: undisclosed-recipients: ;
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10 Subject: Migration auf die harte Tour
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12 Wer heutzutage auf ein anderes (freies) Betriebssystem umsteigen will, bekommt
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13 es ziemlich leicht gemacht. Live-CD herunterladen, auf einen Rohling brennen
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14 und schon kann man in die neue Welt reinschnuppern. Will man dann mehr, lassen
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15 sich von der CD auch vollstaendig vorkonfigurierte Installationen auf die
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16 Festplatte kopieren. Als letzter Schritt steht dann meist noch ein Wechsel
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17 der Distribution sowie eigene Anpassungen an und -tada- die Opensource-
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18 Fraktion hat wieder einen Benutzer mehr.
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20 Klingt einfach? Ist es auch, doch frage ich mich, ob es wirklich auch gut ist.
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21 Klar, je einfacher die Eingewoehnung, desto mehr Benutzer kann man fuer sich
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22 gewinnen, doch das groesste Sicherheitsrisiko bei (Windows-) Computern ist
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23 ja gerade der Benutzer, insbesondere ein Benutzer, der das System nicht kennt,
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24 sondern es nur verwenden soll.
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26 Bitte versteht mich nicht falsch, ich halte Live-CDs durchaus fuer sinnvoll und
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27 bin nicht so geistig verblendet, um nicht zu sehen, dass Rechner und
\r
28 Betriebssysteme inzwischen so komplex geworden sind, dass der Heimanwender sie
\r
29 wirklich nur noch benutzen kann und er die aufwendige Wartung und Reparatur
\r
30 lieber dem Fachmann ueberlaesst. Vergleichbares ist ja auch in der
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31 Automobilindustrie passiert: Waehrend man frueher noch relativ viel am Wagen
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32 selbst reparieren konnte, muss man heute wegen jeder Kleinigkeit zur
\r
33 Werkstatt. Doch gerade die freien Systeme leben gerade davon, dass sie einen
\r
34 Grossteil ihrer Entwickler aus den eigenen Anwendern rekrutieren koennen.
\r
36 Ich moechte hier also einen alternativen Ansatz zum Umstieg auf ein Opensource-
\r
37 System aufzeigen, der dem Anwender ein etwas tieferes Verstaendnis ermittelt.
\r
38 Anstatt mit einem fertigen System zu starten und sich erst dann -bei Bedarf-
\r
39 mit der darunter liegenden Technik zu beschaeftigen, kann man auch den
\r
40 umgekehrten Weg gehen: Man beginnt quasi bei Null und fuegt dann Schritt fuer
\r
41 Schritt das hinzu, was man wirklich benoetigt. Auch in der Windows-(9x)-Welt
\r
42 gab es beide Wege: Die einen haben gleich mit Windows und der grafischen
\r
43 Oberflaeche angefangen, die anderen kamen vom alten DOS und hatten
\r
44 entsprechende Vorkenntnisse.
\r
46 Eines vorweg: Ihr werdet Zeit brauchen. Vielleicht einen Abend, vielleicht
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47 zwei oder ein ganzes Wochenende. Ich habe einige Jahre gebraucht, vor allem
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48 deswegen, weil ich es nicht durchgezogen hab, sondern es immer wieder an einem
\r
49 Abend durchziehen wollte. Das wird nicht funktionieren, also nehmt euch die
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50 Zeit, die ihr braucht.
\r
52 Gut, bevor wir loslegen, brauchen wir ein paar Sachen. Ein zweiter PC oder
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53 eine virtuelle Maschine zum Installieren, waere sehr vorteilhaft, denn so kann
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54 man sich alle Zeit der Welt lassen und sogar bei Problemen im Internet
\r
55 nachschlagen. Des weiteren braucht ihr natuerlich noch eine Installations-
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56 CD/DVD eures ausgewaehlten neuen Betriebssystems, falls moeglich mit Textmode-
\r
57 Installer. Zu guter Letzt noch etwas zum Naschen, Trinken und Notieren. Das
\r
58 Schreibzeug ist fast das wichtigste, zumindest meiner Ansicht nach, denn mit
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59 ihm werdet ihr alles protokollieren, was ihr tut, sodass ihr wenn mal gar
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60 nichts mehr geht, die Schritte rueckwaerts gehen koennt oder von vorne anfangen
\r
61 koennt und schnell wieder am letzten "funktionierenden" Punkt seid. Ich
\r
62 bevorzuge ein paar Seiten Konzeptpapier samt Stift, wer es am PC erledigen
\r
63 will, kann das natuerlich auch tun. So, alles fertig? Dann kann es ja los
\r
66 1. Installiert ein absolutes Basis-System nach dem Motto: Nur das
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67 installieren, was man benoetigt und von dem man weiss, was es tut.
\r
69 2. Nun werdet ihr wohl ein Text-Login haben. Meldet euch an und ab, versucht
\r
70 mit dem System klarzukommen. Folgende Fragen solltet ihr jetzt mithilfe
\r
71 des Handbuchs o.ae. klaeren: Wie starte ich den Rechner neu? Wie schalte
\r
72 ich ihn ab? Wie lege ich einen neuen Benutzer an?
\r
74 3. Als naechstes solltet ihr versuchen Hindernisse aus dem Weg zu raeumen, die
\r
75 euch begegnen. Fuer mich war das erste Problem beispielsweise das
\r
76 Einstellen des deutschen Tastatur-Layouts und vor allem die Eingabe
\r
77 deutscher Umlaute. Passt die Shell also euren Beduerfnissen an!
\r
79 4. Jetzt seid ihr fit genug, euch ins Internet zu begeben. Versucht also
\r
80 euer Netzwerk einzurichten.
\r
82 5. WLAN-Karten sind etwas trickreicher als normale Kabel-NICs. Jetzt wo ihr
\r
83 in der Materie drin seid, koennt ihr euch daran mal versuchen.
\r
85 6. Nachdem der Zugang zum Internet steht, solltet ihr euch ueber die noetigen
\r
86 Schritte informieren, wie ihr euer System aktuell haltet. Fuer den Anfang
\r
87 sollten Binary-Updates reichen.
\r
89 7. Bis jetzt konnte man teilweise ohne Zusatzprogramme auskommen, aber erst
\r
90 diese machen das Arbeiten ja erst so leicht. Lest euch in das
\r
91 Paketverwaltungstool eures Systems ein und schaut euch ein paar Fremd-
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92 Programme an. Ein Textbrowser wie w3m oder links, ein einfacherer
\r
93 Texteditor oder ein Programm zum Entpacken diverser Windows-Formate: Das
\r
94 waren meine ersten Programme die ich brauchte.
\r
96 8. Meist gibt es auch mehrere alternative Wege Software zu installieren,
\r
97 beispielsweise Binaerpakete und selbst gebaute Programme. Lest euch auch
\r
98 in diese Wege ein und experimentiert etwas damit herum.
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100 9. Inzwischen solltet ihr schon ganz gut mit der Textwelt eures Systems
\r
101 klarkommen. Jetzt geht es daran weitere Geraete zum Laufen zu bringen. Wie
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102 druckt man denn? Wird meine Soundkarte unterstuetzt und wie spiele ich
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103 Musik auf der Konsole ab? Solche Fragen sollten euch jetzt beschaeftigen.
\r
105 10. Da euch der Textmodus nun keine Angst mehr macht und ihr wisst, wie man
\r
106 sein System auch ohne grafische Oberflaeche flott bekommt, koennt ihr euch
\r
107 nun dem letzten grossen Schritt widmen, der Installation des Grafikservers
\r
108 X. Je nach Grafikkarte und X-Version kann die Einrichtung von Hand sehr
\r
109 muehsam sein, aber man lernt sehr viel dabei.
\r
111 11. Es ist geschafft! X laeuft, wir sind fast am Ende unserer Odyssee. Wie bei
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112 der Shell werdet ihr schnell ueber kleine Unebenheiten und Probleme
\r
113 stolpern, die ihr nun ausbessern koennt. Wie wechsele ich die Aufloesung
\r
114 oder das Hintergrundbild? Warum werden nicht alle Tasten meiner Maus
\r
115 erkannt? Was ist ein Window Manager und welcher passt zu mir? Diese
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116 Fragen und mehr koennt ihr jetzt in Eigenregie klaeren.
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118 12. Da waeren wir. Ihr habt euer System massgeschneidert, ihr habt bei Null
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119 angefangen und Schritt fuer Schritt das installiert, was ihr braucht, bis
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120 hin zur grafischen Oberflaeche. Ihr solltet nun ein fundiertes
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121 Grundverstaendnis haben, dass euch das Arbeiten am System und spaetere
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122 Problemloesungen erleichtern sollte.
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124 Als letzten Schritt koennt ihr eure Aufzeichnungen saeubern und in ein Script
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125 giessen, dass euch alles genau so einrichtet, wie ihr das getan habt. Zudem
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126 wuerde ich euch raten, die Notizen irgendwo aufzubewahren, man weiss nie, wann
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127 man sie mal wieder braucht. Ich drucke mir mein daraus erstelltes Skript von
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128 Zeit zu Zeit aus und ueberarbeite es von Hand, indem ich es Schritt fuer Schritt
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129 durchgehe und die damals gemachten Einstellungen ueberpruefe und falls noetig
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130 korrigiere. Im Endeffekt koennte das ganze dann wie bei meinem Skript bzw.
\r
131 meinen Notizen aussehen [1].
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133 Anmerkung vom 09. Oktober 2007: Phantom hat sich gerade auf Yigg.de [2] den
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134 Frust von der Seele geschrieben [3] und hat dabei auch das Thema ziemlich gut
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135 getroffen, dass mich zum Schreiben dieses Artikels veranlasste. Es folgen
\r
138 > Es gibt mit Sicherheit noch Ausnahmen doch es ist sehr oft so das sich
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139 > junge Leute weder mit der Basis auskennen noch fundiertes wissen entwickelt
\r
140 > haben (wahrscheinlich weil sie das aufgrund der vereinfachung nicht
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141 > konnten). Jede Linux-Distri bietet mittlerweile grafische Tools an um alles
\r
142 > zu erledigen. Modeminstallation, Drucker etc. X konfiguriert sich
\r
145 > Das ist sicherlich kein Problem, das ist Fortschritt der auch notwendig
\r
146 > war... doch wenn mal ein Problem vorliegt versagen diese Tools meist
\r
147 > total. Und da ist dann der Nachwuchs ITler ueberfordert.. "oh mein gott mein
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148 > tool kann mir nicht helfen".
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150 Zwar stoesst er hier in ein etwas anderes Horn als ich, aber trotzdem gut zu
\r
151 wissen, dass es Leute gibt, die aehnlich denken. Danke, Phantom!
\r
153 UEbrigens, ja, es gibt Ausnahmen und vielleicht sind die Problemfaelle gar
\r
154 selbst nur die Ausnahme, aber ich bekomme es immer wieder, auch in anderen
\r
155 bereichen mit, dass einfach der faehige Nachwuchs fehlt. Ich persoenlich hab es
\r
156 gerade beim Half-Life Portal [4] miterlebt. Dort fehlen einfach junge
\r
157 Mitarbeiter, die die Zeit, den Spass und den Eifer mitbringen, sich auch
\r
158 laenger mit dem Umfeld, der Geschichte und den Entwicklern von Half-Life,
\r
159 Counter-Strike, Team Fortress und Co. zu beschaeftigen. Es geht hier
\r
160 wahnsinnig viel Wissen verloren, was in diesem Beispiel vielleicht nicht so
\r
161 wichtig, aber in anderen Bereichen wie der OpenSource-Szene
\r
162 berlebensnotwendig ist.
\r
164 Ach ja, "frueher war alles besser"(tm) ;)
\r
167 [1] ./migration.png
\r
168 [2] http://www.yigg.de/
\r
169 [3] http://www.yigg.de/343947
\r
170 [4] http://www.hlportal.de/
projects / krt-msg / blob