1 From: Boris Kraut <krt@nurfuerspam.de>
\r
2 Date: Fri, 29 Jan 2010 22:19:46 +0000
\r
5 Message-ID: <20100129221946.PMZqX4@silberbruch>
\r
9 To: undisclosed-recipients: ;
\r
10 Subject: Gefaehrliche Gedanken
\r
12 Je laenger ich ueber Datenschutz, Anonymitaet, Pseudonymitaet und das Ver-
\r
13 walten und Koordinieren verschiedener "Idenditaeten" nachdenke, desto mehr
\r
14 gelange ich zu dem Schluss, dass wir uns nicht wirklich schuetzen koennen.
\r
16 Zum einen entstehen Daten ueber uns ja am laufenden Band, auch ohne dass
\r
17 wir davon wissen oder gar daran beteiligt waeren; zum anderen koennen wir
\r
18 nicht die Wirkung dieser Daten - falsche wie auch richtige - auf andere
\r
19 Menschen kontrollieren. Wir wissen nicht, wer alles die Daten aufruft,
\r
20 welche Daten er nutzt, wie er sie zusammenfuehrt und welches Bild er von
\r
21 uns aufgrund dieser Daten hat. Selbst wenn wir das wuessten und uns die
\r
22 Moeglichkeit gegeben waere, uns selbst zu erklaeren und zu verantworten,
\r
23 so koennen wir ja niemanden zwingen, seine Meinung ueber uns zu aendern.
\r
25 Natuerlich kann man versuchen, seine Aussenwirkung zu veraendern, aber
\r
26 weder ist es hilfreich die Welt mit Daten zu ueberfluten, so dass die
\r
27 eigenen in einem Rauschen aus anderen Informationen untergehen, noch
\r
28 hilft es sich ein falsches "Profil" zu erstellen. Letzteres mag eine
\r
29 Weile gut gehen, aber "Fakes" und "Luegen" werden frueher oder spaeter
\r
30 in sich zusammenkrachen. Gerade wenn man versucht, mehrere Idenditaeten
\r
31 sich anzulegen, so wird man feststellen, dass man sie nur schwer von
\r
32 einander trennen kann: Irgendwann beginnen sowohl Dritte als auch man
\r
33 selbst Idenditaeten zusammenzufuehren und zu vermischen; es wird Fragen
\r
34 geben und im Zweifelsfall verspielt man mehr als man gewinnt.
\r
36 Die einzige Loesung - so fern man hier ueberhaupt von einer Loesung
\r
37 sprechen darf - ist eine gewisse Enthaltsamkeit bezueglich der An- und
\r
38 Weitergabe von Daten und eine Art Wahrhaftigkeit: Man muss einfach ver-
\r
39 suchen sich selbst treu zu bleiben. Man muss sich vor sich selbst
\r
40 rechtfertigen koennen. Man muss immer damit rechnen, dass alles was
\r
41 man tut, irgendwann an die Oeffentlichkeit kommen koennte. Und man
\r
42 muss einfach akzeptieren, dass die Meinung eben dieser Oeffentlichkeit
\r
43 nicht mit der Wahrheit uebereinstimmt.
\r
45 Provokant formuliert wuerde ich sagen, dass "security by obscurity" ein
\r
46 weiteres mal gezeigt hat, dass das Konzept nicht funktioniert, auch nicht
\r
47 beim Datenschutz. Verschleiern und Nichtangabe von Daten ist natuerlich
\r
48 legitim und begruessenswert, aber Sicherheit gibt es nicht. Das tut
\r
49 weh. Zum wiederholten Male kommt mir das Motto des 22c3 in den Sinn:
\r
51 We have lost the war.
\r
53 Warum also noch weiterkaempfen, wenn alles sowieso verloren ist? Nun,
\r
54 der "Krieg" ist nicht verloren. Es gilt das Prinzip Hoffnung. Es geht
\r
55 nicht darum, dass alles am Ende gut ausgeht, sondern darum, dass es
\r
56 wer ist, dafuer zu kaempfen, auch wenn man eventuell verliert. Und ich
\r
57 denke, dass man auf keinen Fall verliert, solang man mit sich selbst
\r
58 im Reinen ist, ganz egal was andere sagen oder denken.
projects / krt-msg / blob