1 From: Boris Kraut <krt@nurfuerspam.de>
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3 Date: Thu, 29 Jul 2010 00:08:05 +0200
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5 Message-ID: <20100728220805.9IHnz9@silberbruch>
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8 To: undisclosed-recipients: ;
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9 Subject: Closing Time
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11 Ich habe heute eine Klausur geschrieben, auf die ich mich das ganze
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12 Semester -- wenn nicht sogar noch laenger -- vorbereitet habe und im
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13 Endeffekt haette wohl ein Bruchteil der Zeit locker gereicht, um die
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14 Klausur zumindest zu bestehen. Bei mir hat wohl allerdings selbst die
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15 ewig lange Vorbereitungszeit nicht gereicht, um auch die psychische
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16 Mauer einzureissen, die ich mir da selbst aufgebaut habe.
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18 Scheisse, aber das passiert, das naechste Mal klappts. Wenn ich es
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19 positiv sehen will, dann besteht ja noch die Moeglichkeit, dass ich
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20 doch bestanden habe, und -- was mir sehr wichtig ist -- ich habe ein
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21 wenig den Respekt vor der Klausur verloren. Letzteres heisst nicht,
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22 dass ich weniger lernen werde, aber ich habe gemerkt, dass meine Panik
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23 davor eigentlich unbegruendet war.
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25 Ich bin also um einige Erfahrungen reicher und darf wohl ein weiteres
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26 Semester ueber die Regelstudienzeit hier verbringen, aber das belastet
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27 mich jetzt nicht so sehr. Viel eher macht mir mal wieder das Zwischen-
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28 menschliche zu schaffen. Auch wenn ich die Hoffnung wohl nie aufgeben
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29 werde, so muss ich mir langsam aber sicher eingestehen, versagt zu
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30 haben, die Chance -- wenn es denn je eine gab -- vertan zu haben...
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32 Eigentlich wollte ich die Klausur zum Anlass nehmen um mir selbst und
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33 insbesondere der Frau, die ich liebe, einiges zu beweisen. Ich wollte
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34 zeigen, dass ich klare Ziele habe, an denen ich hart arbeite, dass
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35 ich mein Leben im Griff habe und mir auch selbst mal in den Arsch
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36 treten kann, um nicht als totaler Langzeitstudent zu enden. Sicherheit
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37 und Verlaesslichkeit wollte ich demonstrieren. Das ist wohl sehr
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38 gruendlich misslungen.
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40 Klar, viel die mich kennen und auch ich selbst -- wenn ich mal meinem
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41 Verstand erlaubt habe einen klaren Gedanken zu fassen -- wussten doch
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42 schon vorher, dass ich keine Chance hatte, aber nun kommt mir alles so
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43 sinnlos vor. Wo ich vorher den Weg als Ziel sah, wo ich Hoffnung, also
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44 den Glaube daran, dass es gut ist zu kaempfen, auch wenn es am Ende
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45 nicht funktioniert, hatte, da ist jetzt.. Ernuechterung?
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47 Um das noch mal klar zu stellen: Es geht nicht darum, dass ich die
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48 Klausur nur wegen ihr geschrieben habe. Es geht nicht darum, dass eine
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49 versiebte Klausur irgendwas an den Chancen dreht. Es geht darum, dass
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50 ich mich selbst enttaeuscht habe.
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52 Enttaeuschung? Das habe ich allerdings auch von anderer Seite erlebt,
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53 auch und insbesondere von ihrer. Es gab schon fast so eine kleine
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54 Tradition, dass sich "unsere Clique" immer dann, wenn jemand von uns
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55 diese Klausur geschrieben hat, sich trifft und man ein wenig feiert:
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56 Ein kleines Grillfest, mal ein Besuch im Restaurant oder einfach nur
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57 ein Schluck Sekt aus Plastikbechern. Ich habe nicht damit gerechnet,
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58 dass mir die selbe Ehre zuteil wird, habe ich so oft, wie ich die
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59 Klausur geschoben habe, auch nicht wirklich verdient. Allerdings ist
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60 es schon eine nettes Zeichen der Freundschaft oder zumindest des
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61 gegenseitigen Respekts, wenn man sich vor der Klausur kurz meldet und
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62 einem viel Glueck wuenscht.
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64 Ich bin keiner, der eine Freundschaft nach monetaeren Gesichtspunkten
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65 auswaehlt und auch was Zeit angeht, bin ich eigentlich sehr genuegsam
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66 und verstaendnisvoll, aber drei Cent und ne knappe Minute Zeit fuer
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67 eine SMS, das sollte drin sein. Oder ist das zu egoistisch, wie ich
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68 mit der Zeit meiner Freunde umgehe? Habe ich da zu hohe Ansprueche?
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70 Irgendwie laesst mich das alles sehr zweifeln. Ich habe wohl in der
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71 letzten Zeit -- jetzt ist es wohl knapp ein Jahr her -- mehr verloren
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72 oder gar kaputt gemacht, als mir bewusst war. Das macht mich sehr
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73 traurig. Sowohl der Verlust, als auch dass ich diesen nicht in seinem
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74 ganzen Ausmasse erkannt habe. Mir waren meine Fehler und Vergehen
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75 bekannt, ich habe Abbitte geleistet und weiss Gott sehr viel dafuer
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76 bezahlt -- dass ich seither keinen Schlaf, keine Ruhe mehr finde, ist
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77 das nur der kleinste Teil. Vielleicht nicht genug, aber ich habe immer
\r
78 klar gestellt, dass ich niemals meine Gefuehle ueber die Freundschaft
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79 stellen werde. Das habe ich gehalten. Und das werde ich auch weiterhin
\r
82 Trotzdem -- und darin sehe ich keinen Widerspruch, wenn man meine
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83 Definitioenn von "lieben" und "verliebt sein" anlegt, welche ich wohl
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84 genauer darzulegen nicht vermeiden kann, allerdings auf ein anderes
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85 Mal vertage -- liebe ich sie. Die Liebe ist nicht das Problem, Liebe
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86 und Freundschaft koennen sehr gut in einander greifen und man wird
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87 wohl nie einen so guten Freund finden, wie jemanden, der einen liebt.
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88 Das Problemt ist "verliebt sein", denn das ist egoistisches Begehren.
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89 Ich sollte endlich lernen zu verzichten...
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91 ... "doch wir kriegen es nicht hin" -- wie wohl die Toten Hosen jetzt
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92 sagen wuerden. Ich habe darin schon einige Erfahrungen gemacht und
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93 machen muessen. Ich kann vieles entbehren -- Geld, Sex, soziale
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94 Kontakte (zumindest wenn es sein muss) -- aber je mehr mir meine
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95 Niederlage bewusst wird, desto mehr muss ich erkennen und desto klarer
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96 wird mir, dass ich -- und hier seien meine letzten Gedankenstriche fuer
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97 heute gesetzt, um darauf hinzuweisen, dass ich sehr zwischen LEBEN und
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98 UEBERLEBEN unterscheide, dies hier also nicht das Ende, sondern der
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99 Stand der Dinge ist -- ohne diese Frau nicht leben will, nicht leben
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102 Ich liebe dich, werde gluecklich.
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