1 From: Boris Kraut <krt@nurfuerspam.de>
\r
3 Date: Wed, 18 Aug 2010 14:20:57 +0200
\r
5 Message-ID: <20100818122057.uqkVXJ@silberbruch>
\r
8 To: undisclosed-recipients: ;
\r
9 Subject: Berlin, seine Menschen und deren Wirkung auf mich
\r
11 In der letzten Zeit war ich immer mal wieder fuer ein paar Kurzbesuche
\r
12 im ganzen Bundesgebiet unterwegs: Ulm, Dresden, Darmstadt, Berlin. Da
\r
13 allerdings die meisten Besuche eher privater Natur waren, habe ich
\r
14 darueber bisher nicht geschrieben und was werde ich auch weiterhin so
\r
15 halten. Allerdings ist mir gerade bei meinem verlaengerten Wochenende
\r
16 in Berlin wieder einige Gedanken durch den Kopf gegangen.
\r
18 Zu erst war ich - wie jedes Mal in Berlin - ueberrascht, wie
\r
19 freundlich die Leute da eigentlich sind. Man hoert ja immer so einiges
\r
20 und die Berliner Schnauze ist nicht besonders lieblich, aber davon
\r
21 abgesehen waren die meisten Menschen wirklich freundlich und
\r
22 hilfsbereit. Ich habe in der ganzen Zeit dort kein Ticket fuer die
\r
23 Bahn kaufen muessen, weil sich immer jemand gefunden hat, der mich
\r
24 auf seinem Ticket minehmen konnte. Meistens wurde man sogar selbst
\r
25 darauf angesprochen, wenn die Leute gemerkt haben, dass man gerade
\r
26 versucht Kleingeld fuer den Autoamten zusammenzupopeln. Karlsruhe
\r
27 ruehtm sich oft - zu Recht! - seiner tollen Tram- und S-Bahn-
\r
28 Verbindungen, aber diese Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft habe
\r
29 ich hier eher selten erlebt. Mag Zufall sein, aber so sind meine
\r
32 Auch sehr positiv fand ich generell das Akzeptieren von Ander-
\r
33 sartigkeit, man wird nicht bloed angeschaut oder sogar angepoebelt,
\r
34 wenn man mal nicht der versnobbten Kleiderordnung diverser Clubs
\r
35 entspricht. Klar, auch und gerade in Berlin gibt es natuerlich
\r
36 elitaere Schickimicki-Veranstaltungen, aber es gibt genuegend,
\r
37 nicht weniger herausragend gestaltete Orte, bei denen das nicht
\r
40 Damit komme ich auch schon zum letzten Punkt, der mich so positiv an
\r
41 Berlin ueberrascht hat: Offenheit. Es ist voellig okay und normal,
\r
42 wenn man jemanden interessant findet, einfach hinzugehen und der
\r
43 Person das zu sagen. Wo man hier all zu oft im besten Fall boese
\r
44 Blicke erntet, ergibt sich in Berlin oftmals einfach nur ein ziemlich
\r
47 Mir persoenlich hat das irgendwie gut getan, mal nicht auf soziale
\r
48 Normen achten zu muessen, die ich sowieso nicht verstehe. Auch die
\r
49 Tatsache, dass ich in den paar Tagen in Berlin mehr Komplimente
\r
50 abbekommen habe, als sonst in einem ganzen Jahr (wenn nicht noch
\r
51 laenger), war Balsam fuer die Seele -- und dabei wollte ich einfach
\r
52 nur etwas mit Freunden entsprannen und war entsprechend gammlig
\r
55 Die negative Seite des Berlinurlaubs ergabs ich aus der Erkenntnis,
\r
56 dass Menschen sich aendern. Zum Guten. Zum Schlechten. Sie aendern
\r
59 Es tut weh, wenn man sieht, wie Leute, denen man vertraut, die man
\r
60 schon ein halbes Leben lang kennt, sich veraendern. Nicht unbedingt
\r
61 negativ, aber auf einer Art und Weise, die klar macht, dass man
\r
62 eigentlich nicht mehr viel miteinander gemeinsam oder zu tun hat.
\r
64 Dinge und Menschen einfach schwarz/weiss zu sehen, vereinfacht vieles
\r
65 und kann einem helfen, schnell zu reagieren, allerdings ist die
\r
66 Wirklichkeit und gerade Menschen, Personen, so vielfaeltig, dass man
\r
67 deutlich mehr Schattierungen benoetigt, um ihnen auch nur annaehernd
\r
68 gerecht zu werden. Das bringt gnaz neue Aspekte und die Chance auf
\r
69 Veraenderung ist fundamentale Vorraussetzung dafuer, dass es besser
\r
70 werden kann... es kann allerdings auch schlechter werden.
\r
72 In Berlin habe ich wohl zwei Menschen verloren - eine Person dort
\r
73 oben, und eine tief in mir. Menschen aendern sich. Zum Guten. Zum
\r
74 Schlechten. Und es faellt mir wahnsinnig schwer, das zu akzeptieren.
\r
projects / krt-msg / blob