Einsamkeit vs. technische Ueberlegenheit

[krt-msg] / 2014-02-20T20:42:37Z.msg

From: Boris Kraut <krt@nurfuerspam.de>\r
To: undisclosed-recipients: ;\r
Date: Thu, 20 Feb 2014 21:42:37 +0100\r
Message-ID: <20140220214237.9cEquC@busy.local>\r
Reply-To: Boris Kraut <krt@nurfuerspam.de>\r
Subject: [.plan] Niemand kann sagen, er haette es nicht gewusst.\r
\r
Ende letzten Jahres habe ich ueber die "Alternativen 2013" fuer\r
diverse Dienste geschrieben und mich im Nachklang darueber be-\r
schwert, dass die gewuenschte Diskussion nicht stattgefunden\r
hat. Aber nun kam doch eine Rueckfrage, die u.a. in folgende\r
Mail meinerseits gipfelte. \r
\r
Im Grunde gebe ich dort einige Auszuege aus den AGB wieder und\r
widerspreche dem sonst von mir sehr geschaetzen Eben Mogeln,\r
der der Meinung ist, dass..\r
\r
> We need to no rules, no punishments, no guidelines. We need\r
> nothing but the truth. Facebook should lean in and tell its\r
> users what it does.\r
\r
[0] http://snowdenandthefuture.info/PartIII.html\r
\r
Mein Punkt ist: Facebook und Co. tun das schon relativ aus-\r
fuehrlich, die Leute muessten es nur lesen. Das einzige was\r
fehlt -- und da hat Eben recht -- ist, dass den Leuten nich\r
bewusst ist, was da im Detail alles getrackt wird oder wie\r
Like-Buttons oder hauseigene Apps funktionieren. \r
\r
Ohne weiteres:\r
\r
\r
\r
Bei solchen Fragen finde ich es wichtig, dass man moeglichst viel mit\r
dem argumentiert, was die Unternehmen selbst veroeffentlichen, also\r
direkt auf Basis der Primaerquelle. Dritte koennen viel behaupten und\r
so lange man nicht darlegen will, dass sich jemand gesetzeswidrig so\r
verhaelt oder es eben keine Informationen von offizieller Seite her\r
gibt.\r
\r
Das ist eigentlich schon die Kurzfassung von allem was jetzt kommt:\r
Wer sich die Muehe macht, AGB und Finanzberichte zu lesen, der bekommt\r
eigentlich schon ein umfassendes Bild. Wenn es darum geht, warum das\r
evtl. gesellschaftlich nicht gut ist, frag mich gern nochmal. Wenn\r
es aber darum geht, warum sich das lohnen kann (oder nicht), muss ich\r
dich leider an nen Werbe-Menschen verweisen.\r
\r
Von daher fangen wir mal an:\r
\r
> was Facebook und Co. mit den Daten der Nutzer machen und wie sie\r
\r
Du solltest eine Frage vorher ansetzen: Was "duerfen" diese Unter-\r
nehmen machen. Dazu laesst sich sowohl bei Facebook, Twitter und\r
Google in den AGB/TOS neben vielen Datenschutz-Nebelkerzen (so Sachen\r
wie "ist uns wichtig" sind dehnbare Begriffe, insbesondere keine\r
juristischen Begriffe -- AGB sind Vertraege!) meist eine weitreichende\r
Lizenz.\r
\r
1) Twitter: https://twitter.com/tos (wenn du an der Stelle die\r
deutsche Version siehst, die damit beginnt einem zu sagen, dass nur\r
die englische Fassung gueltig ist, waere ich dir sehr dankbar, ob du\r
als Normalsterblicher diese englische Fassung irgendwo findest; ich\r
selbst hab vor kurzem Ewigkeiten gebraucht...):\r
\r
TW> Durch Übermittlung, Veröffentlichung oder Anzeigen von Inhalten\r
TW> über die Dienste gewähren Sie uns eine weltweite, nicht exklusive,\r
TW> unentgeltliche Lizenz (mit dem Recht zur Unterlizenzierung), diese\r
TW> Inhalte in sämtlichen Medien und über sämtliche Verbreitungswege, die\r
TW> gegenwärtig bekannt sind oder in Zukunft bekannt sein werden, zu\r
TW> verwenden, zu vervielfältigen, zu reproduzieren, zu verarbeiten,\r
TW> anzupassen, abzuändern, zu veröffentlichen, zu übertragen, anzuzeigen\r
TW> und zu verbreiten.\r
\r
Es gibt da noch mehr Stellen, das hier also nur als Beispiel.\r
Uebrigens, da ich vorhin von Nebelkerzen gesprochen haben: Direkt vor\r
dem zitierten Satz steht "Sie behalten die Rechte an allen Inhalten,\r
die Sie über die Dienste übermitteln, veröffentlichen oder anzeigen"\r
und das ist genau sowas: Nach deutschem Recht kann ich die Urheber-\r
schaft nicht abgeben, ich kann nur Nutzungs-/Verwertungsrechte ueber-\r
tragen. De facto macht Twitter hier eine Nullaussage. Man findet das\r
ganz haeufig: Sie schreiben etwas, was gut klingt, aber eigentlich\r
irrelevant ist, und raeumen sich dann aber alle moeglichen Rechte ein;\r
du findest sicher noch mehr solche Punkte.\r
\r
2) Facebook: https://de-de.facebook.com/legal/terms?locale=de_DE (hier\r
ist es relativ leicht die englische Version zu bekommen, naemlich unter\r
https://www.facebook.com/legal/terms?locale=en):\r
\r
FB> you grant us a non-exclusive, transferable, sub-licensable,\r
FB> royalty-free, worldwide license to use any IP content that you post\r
FB> on or in connection with Facebook (IP License). This IP License ends\r
FB> when you delete your IP content or your account unless your content\r
FB> has been shared with others, and they have not deleted it.\r
\r
Aehnlich wie oben, interessant hier natuerlich der Punkt, dass andere\r
ein Einfluss darauf haben, wie lang diese Lizenz gueltig ist. Ausserdem:\r
Im Gegensatz zu Twitter wird hier ein Enddatum ueberhaupt genannt,\r
daraus ergibt sich ja schonmal eine logische Folge: Der Nutzer darf\r
NIE auf die Idee kommen, Dinge (oder gar seinen Account) zu loeschen.\r
Das muss seitens FB so schwer wie moeglich gemacht werden (Account\r
pausieren; genuegend interessante Beschaeftigungen, damit man dabei\r
bleibt...). Auch hier gilt: Facebook AGB sind eine wahre Goldgrube! Es\r
kann niemand sagen, er haette es nicht gewusst...\r
\r
Und auch Google ist das natuerlich aehnlich, aber das ueberlass ich\r
mal deiner Kreativitaet und geh zur naechsten Frage weiter:\r
\r
> mit den Daten Geld verdienen. Ich würde gern die Frage beantworten\r
\r
Tja, wenn wir schon bei den FB-AGB sind, dann schaun wir doch mal da\r
rein?\r
\r
FB> Our goal is to deliver advertising and other commercial or\r
FB> sponsored content [...]\r
\r
FB> You give us permission to use your name, profile picture, content,\r
FB> and information in connection with commercial, sponsored, or\r
FB> related content (such as a brand you like) served or enhanced by\r
FB> us. This means, for example, that you permit a business or other\r
FB> entity to pay us to display your name and/or profile picture with\r
FB> your content or information, without any compensation to you.\r
\r
FB> You understand that we may not always identify paid services and\r
FB> communications as such.\r
\r
FB> You can target your desired audience by buying ads on Facebook or\r
FB> our publisher network.\r
\r
Also was schonmal rauskommt: \r
\r
 - Wir zeigen dir Werbung, die evtl. auch nicht als solche\r
   gekennzeichnet wird.\r
\r
 - Diese Werbung koennen wir gezielt ausstaeuern [je mehr wir ueber\r
   unsere Nutzer wissen, desto besser -> Facebook muss es also leicht\r
   machen Daten anzugeben, z.B. in dem es nicht alle "Fragen" auf\r
   einmal stellt, sondern a la Salami-Taktik: Niemand wuerde FB\r
   nutzen, wenn das Anmeldeforumlar einem deutschen Steuerformular\r
   gleichen wuerde. Andere Taktik: Wir suggerieren dir einen Nutzen,\r
   wir machen das alles nur fuer DICH!! -- und wenn der Nutzer nicht\r
   Daten freiwillig angibt? Dann muessen wir ihn eben tracken, z.B.\r
   ueber Like-Buttons, z.B. ueber die ganzen Handy-Apps die zu FB\r
   gehoeren (FB-Messenger, Instagramm, WhatsApp, ...), z.B. darueber,\r
   dass wir externen Content, den er postet in FB einarbeiten, so\r
   dass er die Plattform nicht verlassen muss.]\r
\r
 - Wir nutzen deine Daten um daraus Werbung fuer andere zu machen.\r
\r
Dann haben wir -- die jeweiligen Bestimmungen ueberlass ich wieder\r
dir -- natuerlich noch FacebookCoins/In-App-Kaeufe, das Anbieten\r
von Apps generell und natuerlich Kapital aus den Aktienverkaufen.\r
\r
Letzteres hat uebrigens den positiven Nebeneffekt, dass wir die Frage\r
mit dem Geld dank der Financial Reports relativ genau beantworten\r
koennen, siehe http://investor.fb.com/financials.cfm -- fuer Twitter\r
unter https://investor.twitterinc.com/ und fuer Google hier\r
http://investor.google.com/financial/tables.html zu finden. Alle\r
sher lesenswert. Weil ich gerade so bei FB bin, hier nen nettes\r
Zitat:\r
\r
FB> We generate substantially all of our revenue from advertising\r
FB> and from fees associated with our Payments infrastructure that\r
FB> enables users to purchase virtual and digital goods from our\r
FB> Platform developers. \r
\r
Weiter zur naechsten Frage:\r
\r
> können: "Was nützt es wem, wenn ich Facebook, Twitter etc benutze?"\r
\r
Dazu muss mal die Akteure abstecken. Wir haben das Unternehmen und\r
seine Aktionaere (ich fass die mal zusammen, denn sie haben imho\r
ein gemeinsames Ziel: Geld), wir haben die Kunden des Unternehmens\r
(also die, die Werbung kaufen), wir haben die "Nutzer" und dann\r
in dem Fall die Bibliotheken oder so, die ja erstmal wissen wollen,\r
zu welcher Gruppe sie gehoeren.\r
\r
Nutzer: Nun, der Nutzen ist erstmal klar. Kommunikation und\r
Information. Warum das z.B. bei FB so gut geht ist:\r
\r
 - Es erbt alle Vorteile von schneller, elektronsicher Kommunikation\r
   im Allgemeinen.\r
\r
 - Einfachheit und "alles unter einem Hut"\r
\r
 - Netzwerkeffekt: Dort sind viele, also muss ich auch dort sein,\r
   was wiederum ein Anreiz fuer andere ist, ebenfalls dort aktiv\r
   zu sein / zu bleiben.\r
\r
So weit ich weiss, ging es ja hauptsaechliche im Jungendliche, daher\r
lohnt nen Blick in Studien wie die JIM -- einfach mal um zu gucken,\r
was uerberhaupt wie genutzt wird:\r
\r
http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf13/JIMStudie2013.pdf\r
\r
Warum sie das alles machen? Da gibt's einiges an Literatur aus\r
den Psychowissenschaften. Zusammenfassung gibt's auch, etwas\r
aelter und nur weil ichs gerade aufgeschlagen habe: Dominik\r
Leiner - Der Nutzen sozialer Online-Netzwerke (in Aufwachsen in\r
sozialen Netzwerken, Dittler/Hoyer, kopaed 2012). Gibt sicher\r
auch neuere und besser Artikel oder Sammelbaende...\r
\r
\r
Facebook:\r
\r
 - Ich verdiene besser, je mehr ich ueber meine Nutzer weiss und\r
   je mehr aktive Nutzer ich habe.\r
\r
 - Die Aufgabe ist also (s. Netzwerkeffekt -- da gibt's auch BWL-\r
   Pseudowissenschafts-Veroeffentlichungen dazu) daufer zu sorgen,\r
   dass es meinen Nutzern gefaellt, immer wieder neues, interessantes\r
   anzubieten, moeglichst viel Inhalt direkt verfeugbar zu halten\r
   (d.h. keine Nutzer nach auszuleiten) und natuerlich mir "heimlich"\r
   immer mehr Rechte zuzuweisen -- ohne dass es der Nutzer merkt\r
   oder abgeschreckt wird (s. Salamitaktik). \r
\r
Was Facebook macht oder machen darf hab ich ja oben schon angerissen,\r
sollte offensichtlich sein, oder?\r
\r
\r
Werber:\r
\r
 - Je mehr unsere Werbung sehen und je gezielter wir sie aussteuern\r
   koennen, desto mehr koennen wir potentielle verkaufen (oder desto\r
   bekannter wird unsere Marke...)\r
\r
 - again: Wir sind da, weil die Leute da sind.\r
\r
Da wuerde ich selbst gern mehr wissen..\r
\r
\r
Bibliotheken und Co.:\r
\r
 - Wir muessen hipp sein, wir wollen da sein wo alle (insbesondere\r
   junge) Menschen sind.\r
\r
 - Wir wollen mehr Leute auf unser _externes_ Angebot (das unter-\r
   stelle ich mal?) hinweisen?\r
\r
\r
Auch hier: Ich glaub das kannst du besser beantworten :)\r
\r
\r
> http://irights.info/wem-gehoren-meine-daten\r
Ja, kann man schon nehmen. iRights.info liefert eigentlich ganz gutes\r
Material. Wenn es wissenschaftlicher sein soll, dann hat der am Ende\r
verlinkte Lovink auch einiges dazu geschrieben. Da nur Vorsicht:\r
Lovink ist sowohl Wissenschaftler, als auch Aktivist, d.h. man muss\r
da etwas aufpassen, in welcher Rolle er jeweils schreibt. Aber das\r
Problem hat man ja meistens: Wer sich teifer mit einem Thema be-\r
schaeftigt hat, der entwickelt zwangslaeufig auch seine eigen\r
Meinung weiter :)\r
\r
> https://wiki.piratenpartei.de/Antworten/Facebook\r
Wuerde ich nicht nehmen, es sei denn du willst wirklich eine\r
politische Dimension reinbringen. Parteien sind immer Akteure\r
und wollen Dinge erreichen.\r
\r
> http://www.heise.de/ct/artikel/2-Klicks-fuer-mehr-Datenschutz-1333879.html\r
Oehm, ja, prinzipiell richtig, wenn du das reinnehmen willst, dann\r
gibt's da von Datenschutzbeauftragten (z.B. Thilo Weichert) auch\r
einiges, genau so wie von einigen Juristen. Interessant dazu ist\r
aber auch die andere Seite: Hier jemand der an sich nichts gegen\r
so etwas hat, aber fuer sich selbst nachgemessen hat und gemerkt\r
hat, dass die Sachen keine Benutzer ziehen:\r
\r
http://solomon.io/why-im-done-with-social-media-buttons/\r
http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/01/23/das-problem-mit-facebook/\r
\r
Ist leider nur ne Einzelmeldung, sollte aber bestimmt irgendwo\r
belegbare Zahlen geben -- mal ganz egal ob die Zahlen fuer oder\r
gegen sowas sprechen. Wenn es keinerlei Zahlen gibt, dann sei\r
mir die Frage gestattet, warum jeder einen Like-Button haben\r
muss.\r
\r
Generell: Like-Buttons ermoeglichen erstmal den jeweiligen An-\r
bietern den Nutzer zu tracken und mit jedem Klick befindet sich\r
auch mehr Content in den jeweiligen Datensilos. Wieviel bringt\r
so ein Like? Wieviel Nutzer interessiert das wirklich? Wem davon\r
reicht evtl. das Snippet, dass dazu bei FB zu finden ist? Und\r
wer verlaessst aufgrund eines Likes wirklich den FB-Kosmos? Und\r
kommt danach haeufiger auf die _eigene_ Seite? Fragen ueber\r
Fragen!\r
\r