From: Boris Kraut Date: Mon, 20 Jul 2009 00:01:01 +0000 Category: Sender: Message-ID: <20090720000101.JVoS3a@silberbruch> References: Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: Bad Browsers Vor einige Zeit habe ich mich noch beklagt, dass der Browsermark kaum Alternativen bietet und sich die ganze Situation ziemlich festgefahren hat. Der "Wettlauf zum All" war nach den Mondlandungen bzw. nach dem Ende des kalten Krieges beendet; es gab kaum noch Interesse daran, sich auf dem Gebiet der Raumfahrt zu betaetigen und Neuerungen vorran zu bringen... Anmerkung: Vor genau 40 Jahren, am 20. Juli 1969 (oder am 21. Juli, je nachdem von wo man es betrachtet..), betrat der Mensch zum ersten Mal den Mond. Nach einer halben Ewigkeit haben sich die meisten Weltraum- organisationen der Welt das Ziel gesetzt, wieder den Mond zu erreichen; ein erster Schritt in Richtung Mars. Ich hoffe, dass ich es noch erleben werde (den zuversichtlichen Planungen der Agenturen mag ich nicht so recht glauben), wenn Menschen wieder ein "neues Land" betreten; diesmal hoffentlich mit friedlicheren Absichten. Aehnlich ging es auch nach dem "Browserkrieg" zu: Microsoft hatte gewonnen und zog bis auf eine Rumpfcrew fuer den Support alle Entwickler vom IE Projekt ab [1], Stagnation war die Folge. Erst nachdem die freie Re- inkernation des Erzrivalen Netscape [2], Mozillas Firefox [3], zunehmend zur Gefahr wurde, beschloss man, dass Team zu reaktivieren. Zwar fuehrten diese Bemuehungen zu einem neuen (etwas kleineren) Wettlauf und brachte ettliche neue Features hervor, aber die ingesamte Situation war mehr als unbefriedigend. Waehrend Microsoft damnit begann seine alte IE-Codebasis langsam an die Marktvorgaben anzupassen, versuchte Mozilla dem IE mit neuen Funktionen davonzulaufen; auf Kosten der Leichtigkeit, Schnelligkeit und Wartbarkeit, die den Firefox frueher auszeichnete. Doch inzwischen war KHTML [4], die HTML-Rendering-Engine des KDE [5] Projekts, so weit fortgeschritten, dass sie es mit Trident und Gecko mehr als aufnehmen konnte. Zu dem war sie schneller und deutlich sauberer ge- schrieben. Das nahm Apple zum Anlass, um sie in leicht veraenderter Form in ihrem Browser Safari [6] zu nutzen; WebKit [7] war geboren. Letzteres bildete dann die Basis fuer Google eigenen Browser, Chrome [8], der erfrischend neuen Wind ins Spiel brachte. Chrome ist schnell, leicht und quelloffen; ein Browser der begeistern koennte, waeren da nicht die massiven Datenschutzprobleme. Letztere versuchen einige auf Chromium [9], den Quellen von Chrome, aufbauende Browser von Drittanbietern [10] zu beseitigen, aber so richtig Fuss fassen konnten diese noch nicht. Aber ein Anfang ist gemacht, es herrscht wieder Wettbewerb und Neuerungen sind bereits im Anmarsch. Doch leider gehen viele Neuerungen in eine fuer meine eigenen Beduerfnisse falsche Richtung. Die meisten werden wissen, dass ich immer darum bemueht bin, die Dinge so einfach und so schlank wie moeglich zu halten. Meine derzeitige Browserwahl ist die Kombination aus dem Textbrowser w3m [11] und Firefox. Letzterer wurde neben einer sehr restriktiven Konfiguration mit den Addons NoScript [12], AdBlock Plus [13], RefControl [14], ModifyHeaders [15] und Vimperator [16] versehen. Der Textbrowser uebernimmt die schnelle Recherche-Arbeit, Firefox ist fuer die ganzen Web2.0-Services und Uni-Dienste verantwortlich; damit kommt man dann ganz gut klar. Ich frage mich allerdings immer noch, warum Hochschulen solche teils total kaputten Online-Dienste anbieten, die nur mit bestimmten Browsern nutzbar sind (diesmal hat's den IE getroffen; ueber No-IE-Seiten habe ich mich ja schonmal ausgelassen - sowas ist einfach kontraproduktiv). Aber ich schweife mal wieder ab... Waehrend ich mit w3m weiterhin sehr zufrieden bin (als Alternative teste ich gerade netrik [17] von Olaf "antrik" Buddenhagen [18]), stoert mich der Firefox doch schon sehr. Er ist zu schwerfaellig und langsam geworden; auch wenn die Version 3.5 hier deutlich Boden wieder gut machen konnte. Zudem ist die Bedienung selbst mit Vimperator alles andere als benutzer- freundlich. Die meisten werden Vimperator wohl nicht als eine Verbesserung empfinden, weil sie gewohnt sind mit der Maus zu arbeiten, aber die Maus, ein Trackball oder Touchpad kosten einfach zu viel Zeit; einzige derzeit einigermassen angenehme Variante ist der Trackpoint bzw. Pointing Stick. Wenn man beispielsweise eine URL eingeben will, so muss man ja sowieso die Tastatur bemuehen. Es ist daher unpraktisch vorher in die Adress- leiste mit der Maus wechseln zu muessen, nur um kurz spaeter die URL wieder auf der Tastatur eingeben zu muessen. Ein erster Schritt der Verbesseung ist die F6-Taste, die das entsprechende Eingabefeld aktiviert. Leider funktioniert das nicht immer zuverlaessig und F6 ist auch keine Taste die sich besonders leicht erreichen laesst. In Vimperator kann ich einfach "owww.heise.de" eingeben, um auf die Website von www.heise.de zu gelangen. Das "o" am Anfang ist ein Kuerzel fuer ":open ", dem Befehl um URLs in Vimperator zu oeffnen. Bei dem Beispiel gibt es noch ein zweites Problem. Denn der Firefox (und fast alle anderen "normalen" Browser) nutzen die Eingabezeile auch als Anzeige fuer die aktuelle Website. Auf den ersten Blick scheint das auch sinnvoll zu sein, doch es hat seine Tuecken: So kann es vorkommen, dass man eine neue URL eingeben will, aber die Website von sich aus auf eine andere URL weiterleiten will. Dann passiert es, dass man gerade in der Zeile tippt und sie aufeinmal mit der neuen URL der Weiter- leitung ersetzt wird; das ist einfach nur nervig! Ein weiteres Problem ist das Tabbed Browsing. Wie das? Tabbed Browsing war eins der Killerargumente fuer den Firefox und gegen den Internet Explorer, wie kann das jetzt schlecht sein? Nun, ganz einfach: Reiter koennen in vielen Faellen sehr nuetzlich sein, aber sie sind nichts, was ein Programm selbst verwalten sollte. Das Verwalten von mehreren Fenstern ist Sache des Window-Managers (wie der Name schon sagt...) und nicht des jeweiligen Programms. Sonst koennte es leicht sein, dass man z.B. zwei Programme hat, die jeweils ein MultiDocumentInterface mit Tabs benutzen, aber zum Wechseln der Tabs unterschiedliche Mechanismen und Tasten benutzen. Man muss also erst den jeweiligen Workspace aus- waehlen, dann das richtige Programm selektieren und als letztes sich innerhalb des Programms durch die Reiter zu hangeln, wobei jeder der Schritte eine andere Tastenkombination erfordert. Das kann nicht Sinn der Sache sein. Stattdessen ist der urspruengliche Weg des IE eigentlich der besserer. Er oeffnet fuer jede Website ein eigenes Fenster, dass der Windowmanager verwaltet. Das Problem des IE war nur, dass er zuviel Elemente im Anzeigefenster hatte und pro Instanz zu viel Ressourcen vergeudete. Google hat das Problem erkannt und sorgte dafuer, dass Chrome einen Hauptprozess fuer die GUI nutzt und jede Website in einem eigenen, zusaetzlichen Prozess laeuft [19]. Auch beim IE8 besinnt man sich auf diese alten Werte [20]. Vimperator kuemmert sich wie gesagt um viele dieser Probleme, aber einiges, das vorallem im Hintergrund ablaeuft ist beim Firefox einfach nicht per Addon zu reparieren. Da es aber nicht nur mir so geht, sondern auch viele andere PowerUser die aktuellen Browser fuer untauglich halten, war es nur eine Frage der Zeit, bis man die Sache selbst in die Hand nimmt und einen wirklich benutzbaren Browser programmiert: Uzbl [21] - a usable browser! Uzbl ist ein Browser, der auf WebKit aufbaut und einen radikal anderen Ansatz verfolgt. Pro Website gibt es ein Hauptfenster, dass standardmaessig nicht mehr anzeigt als eine kleine Statusleiste und die Website. Auch funktional sieht es eher mau aus, beispielsweise es gibt keine eingebaute Verwarltung fuer Lesezeichen. Der Vorteil von Uzbl ist aber, dass er fuer jede Funktionen Schnittstellen nach aussen bereitstellt, so dass man per FIFO-Dateien oder Sockets den Browser komplett kontrollieren kann. Dieser Baukasten hat das Zeug dazu, Firefox bei mir demnaechst komplett abzuloesen, aber Vorsicht, der Browser ist nichts fuer [22].. ..people who want a browser that does everything ..people who want a browser with things like a built-in bookmark manager, address bar, forward/back buttons, ... ..people who expect something that works by default. You'll need to read configs and write/edit scripts ..people who like nothing from this list: mpd, moc, wmii, dwm, awesome, mutt, pine, vim, dmenu, screen, irssi, weechat, bitlbee Sobald ich etwas mehr Zeit auf der Hand habe, also in den Semesterferien, werde ich mir das Projekt genauer ansehen! Update: Es gibt auch noch Vimpression [23], ein Vimperator mit WebKit und Surf [24] von suckless.org [25]; beide haben ebenfalls Potential. [1] http://www.heise.de/newsticker/meldung/48437 [2] http://www.netscape.com/ [3] http://www.mozilla.org/firefox/ [4] http://developer.kde.org/documentation/library/kdeqt/kde3arch/khtml/ [5] http://www.kde.org/ [6] http://www.apple.com/safari/ [7] http://webkit.org/ [8] http://www.google.com/chrome/ [9] http://www.chromium.org/ [10] http://www.srware.net/en/software_srware_iron.php [11] http://w3m.sourceforge.net/ [12] http://noscript.net/ [13] http://adblockplus.org/ [14] http://www.stardrifter.org/refcontrol/ [15] http://modifyheaders.mozdev.org/ [16] http://vimperator.org/ [17] http://netrik.sourceforge.net/ [18] http://tri-ceps.blogspot.com/ [19] http://en.wikipedia.org/wiki/Google_chrome [20] http://en.wikipedia.org/wiki/Internet_explorer_8 [21] http://www.uzbl.org/ [22] http://www.uzbl.org/readme.php [23] http://projects.ring0.de/webkitbrowser/ [24] http://surf.suckless.org/ [25] http://www.suckless.org/