From: Boris Kraut Date: Tue, 02 Feb 2010 18:16:11 +0000 Category: Sender: Message-ID: <20100202181611.oYIdi_@silberbruch> References: Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: Albert Einstein abseits der Physik Ich habe die letzten Tage damit begonnen einen Teil von Einsteins Reden, Briefen und anderen Schriften, die ich bisher immer nur auszugsweise kannte, im Ganzen zu lesen und suchte darin ein wenig Zerstreuung. Ich war ueberrascht, dass ich darin nicht nur guten Rat fand, sondern mich immer wieder an mich selbst erinnert sah - so anmassend es auch sein mag. Nein, nicht in denen der Physik, eher in denen zwischenmenschlicher, philosophischer und gesellschafts-politischer Natur. Ich werde trotzdem so gut es geht meine Begeisterung zurueckhalten und der Versuchung, nun Tag fuer Tag mit Einstein-Zitaten um mich zu werfen, widerstehen. Einige Sachen sollten aber sofort gesagt werden: Bemerkenswert ist seine Einstellung zu Religion, Glaube und Religiositaet. Auch wenn er fuer das juedische Volk viel geleistet hat, so zweifelt er offen an Gott. Der sei nur ein "Versuch, das Moralgesetz auf Furcht zu gruenden" - ein "bedauernswerter unruehmlicher" Versuch, so Einstein. Das er sich fuer religioes, aber nicht fuer glaeubig haelt, kommt daher, dass er moralische Werte wie "Streben nach Erkenntnis um ihrer selbst willen, an Fanatismus grenzende Liebe nach Gerechtigkeit und Streben nach persoenlicher Selbstaendigkeit" in der Tradition des juedischen Volkes festmacht. Ein weiterer Punkt, den er immer und immer wieder betont, ist die "Veredelung der Menschheit" als eines der wichtigsten Ziele. Ebenfalls interessant ist seine Rolle als Pazifist, in der seine und meine Meinungen doch ein wenig auseinander gehen. Er sieht die Probleme, die durch Krieg, Waffen, Militarismus und Obrigkeitstreue entstehen, ja, er hat ja vieles auch direkt am eigenen Leib - mehrfach - erfahren muessen. Er zieht auch durchaus berechtigte Schluesse und Lehren; alles Sachen die ich nicht nur nachvollziehen, sondern auch befuerworten kann. Doch was er schuldigt bleibt, ist eine Art Beweis, warum es so funktionieren wird/koennte - ja im Gegenteil! Er liefert Belege und Beispiele dafuer, dass es eben nicht funktioniert. Einstein fordert - wohl gepraegt durch die Erfahrungen mit dem Voelkerbund - die Einfuehrung eines internationalen, "permanenten, von den Regierungen unabhaengigen Schiedsgericht." Dessen Sprueche sind zu akzeptieren und sofort zur Ausfuehrung zu bringen. So weit, so gut. Doch wie will man das kontrollieren? Kann das Gericht seine Entscheidungen durchsetzen? An anderer Stelle scheint er durchaus fuer militaerische Befugnisse zu sein und fordert auch eine "Welt- polizei." Er ist sich bewusst, dass niemand das Gericht anerkennen wuerde, wenn es nicht fuer die Durchsetzung der Schieds- sprueche und die Sicherheit der Staaten vor Uebergriffen sorgen koennte. Nun hat man also eine finale Instanz, die Recht spricht. Doch wer kontrolliert eigentlich die Kontolleure? Wie stellt man sicher, dass diese auch wirklich Recht spricht? Wie kann man die geforderte Unabhaengigkeit erreichen? Einstein hofft hier auf eine moralische Verbesserung der Menschheit und eine Losloesung vom Natioanlismus. Das wird noch eine ganze Weile auf sich warten lassen, denn die Menschheit hat schon oft genug gezeigt, zu was sie faehig ist - und meistens waren diese Taten negativ, auf den eigenen Vorteil bedacht und in keinster Weise ein moralisches Vorbild. Aber angenommen die Menschheit wuerde sich so drastisch zum Guten wenden, braeuchte man dann wirklich noch ein Schieds- gericht? Ich selbst habe wie gesagt auch keine Loesung fuer das Problem, und so kann ich es Einstein nicht vorwerfen, dass er keine ge- funden hat. Ich sage nur, dass selbst solch ein Genie hier keine Antwort gefunden hat. Es sei aber zum Abschluss noch erwaehnt, dass er auf anderen Gebieten - im kleinen und im grossen Masstab - deutliche Erfolge fuer die Voelkerver- staendigung und den Frieden errungen hat.