From: Boris Kraut Organization: Date: Tue, 16 Mar 2010 15:11:08 +0100 Category: Message-ID: <20100316141108.ZRPtFf@silberbruch> Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: Chatroulette und Co. Seit Anfang des Jahres treiben die Medien ja eine neue Sau durchs Dorf: Chatroulette! Gerade durch diese Berichterstattung ist der Service auch bei der "normalen" Bevoelkerung durchaus bekannt und wird auch stark genutzt. Ich habe zwar diverse Meldungen darueber schon haeufiger an mir vorbeiscrollen sehen, aber mich nicht genoetigt gefuehlt, mehr darueber zu erfahren oder es gar auszuprobieren. Jetzt wurde ich allerdings IRL Zeuge wie zwei Maedels sich im Poolraum darueber unterhielten und ich konnte mich natuerlich nicht zurueckhalten und habe ein wenig gerantet. Was ist also Cahtroulette? Ein russischer Junge fand es cool, die Moeglichkeiten von Video- und Voice-Chats mit denen eines Zufalls- chats zu verbinden. Beides nichts neues, das sieht auch das NY Mag so: > Although ChatRoulette feels radically new, it?s built entirely > out of recycled parts - it's just a potent combination of programs > we've all been familiar with for years. Im ganzen ist es aber bisher das erste Angebot seiner Art, dass es zu groesserer Pobularitaet im gemeinen Volk und den Medien gebracht hat. Das ganze ist also eine Website die mit Flash Webcam und Mic des eigenen Rechners abgreift und den Stream ins Internet zu einem anderen Nutzer pustet, der zufaellig ausgewaehlt wurde - und dieser schiebt uns im Gegenzug seine Daten zu. Den Partner kann man zu jeder Zeit neu auswuerfeln lassen. Aus Sicht des Datenschuetzers ist das ganze natuerlich Teufelszeug, denn man weiss ja nie, ob die Gegenstelle vertrauenswuerdig ist. Und genau so wie, man eigentlich nicht moechte, dass viele Fotos von einem im Internet sind, genauso wenig sollte man das von Videos wollen. Die Tatsache, dass es sich aber - mehr oder weniger - um Live-Streams handelt, scheint einige Leute vergessen zu lassen, dass man das Zeugs ebenfalls abgreifen kann. Dass es bei der heutigen Ausstattung von Rechnern kein Problem mehr ist, die Streams einfach per Default im Hintergrund aufzunehmen, beweisen ja etliche Bilder und Mitschnitte. Dass man doch auch Webcam- und Mic-Zugriff verbieten kann, werden mir jetzt einige entgegnen. Ja, das geht. Sowohl die Website selbst als auch die allgemeinen Flash-Einstellungen erlauben das. Allerdings ist Flash an sich nicht dafuer bekannt, besonders sicher zu sein. Es gab schon haeufiger Angriffe auf Flash, die es erlaubten die jeweilige Hardware anzuzapfen, obwohl es der Benutzer nicht erlaubt hat -- und das ganze ohne dessen Wissen. Es ist also ziemlich naiv zu glauben, dass die gesendeten Daten irgendwie kontrollierbar waeren; mal ganz abgesehen, von den inzwischen hoffentlich allseits bekannten anderen Flash-Problemen. Laesst man diese ganze Problematik mal ausser Acht und stellt sich auf den Standpunkt eines Otto Normalnutzers, so bleibt die interessante Frage, weshalb man so einen Service nutzen will. Ich bin nicht besonders gut darin, so etwas zu antizipieren, aber ich komme auf folgenden Gruende - wer mehr kennt, darf mir das gerne mal erklaeren: - neue Bekanntschaften - Perverse - pubertaere Maennlein (und Weiblein?) auf Partnersuche - Veraschen von Leuten - Belustigung - Voyeurismus - Exhibitionismus Das einzige was mich aus dieser Liste besonders reizen wuerde, waere ersteres. Und tatsaechlich, es gibt ab und an richtige Juwelen zu entdecken, interessante Menschen, mit denen man sonst nie in Kontakt gekommen waere. Allerdings muss man sich erstmal Abend fuer Abend durch den ganzen anderen Mist "zappen" - ich weiss nicht, ob es mir das wirklich wert waere - oder Wie es die taz sagt: "Emo-Kid. Zack. Aelterer Herr. Zack. Penis. Zack. Drei Maedchen. Zack. Penis. Zack. Penis. Zack. Penis." Ich denke der Hype wird sich relativ schnell verlaufen und das ganze ist noch weniger "the next big thing" als es Twitter war. Interessant an dem ganzen ist wirklich nur das grosse Medienecho und der damit verbundene Bekanntheitsgrad bei normalen Internetnutzern. Ich frage mich wirklich, was der Ausloeser dafuer war. Hatte man Angst, etwas grosses zu verschlafen, wie es sooft schon passiert war? Wollte man explizit Werbung machen? Oder brauchte man mal wieder etwas konkretes, um die Abscheulichkeit und Banalitaet des Internets zu demonstrieren? Ich weiss es wirklich nicht... Fuer alle potentiellen Nutzer solcher Dienste bleibt nur ein Wort der Warnung, denn viele scheinen fest der Meinung zu sein, dass das Video nur an eine Person gestreamt wird und vergessen dabei die Tatsache, dass genau diese Person es kopieren, modifizieren und verbreiten kann, wie es ihr beliebt. Ich glaube zwar nicht, dass die Gesellschaft "kraenker" wird, aber je mehr unbedacht die Moeglichkeiten nutzen, desto naeher kommen wir alle einem medialen und datenschutzrechtlichen Super-GAU.