From: Boris Kraut Organization: Date: Thu, 15 Apr 2010 00:49:29 +0200 Category: Message-ID: <20100414224929.kGx0Mp@silberbruch> Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: Panopticon Ich frage mich gerade, ob und wie weit wir Datenschuetzer recht haben, wenn wir gegen eine allgegenwertige Ueberwachung argumentieren. Es ist ja bewiesen, dass allein die Tatsache oder gar nur der Verdacht, ueber- wacht zu werden, ausreicht, um eine Verhaltensaenderung zu erzeugen, wie es beispielweise beim sog. "Chilling Effect" der Fall ist. Aber damit spielen wir ja den Befuerworten in die Arme, oder? Genau das ist es doch, was die Gesellschaft offenbar will: Staatlich verordnete Umerziehung. Jaja, wir argumentieren dann, dass diese Veraenderung nur kurzfristig und lokal ist, dass es Schauspielerei ist und dass sich der wahre Charakter dann um so mehr zeigt, wenn man der Ueberwachung fuer einen Moment entgeht. Aber simmt das? Ich moechte diese Frage gar nicht beantworten, denn je mehr ich darueber nachdenke, desto klarer wird mir, dass wir eigentlich am falschen Ende kaempfen. Ueberwachung ist nicht ob ihrer moeglichen Folgen abzulehnen, sie ist ob ihrer selbst zu bekaempfen. Wir sind freie Menschen und keine Knechte -- ausser die unserer selbst. Hier darf sich niemand ueber uns stellen; insbesondere dann nicht, wenn diese Menschen frei und friedlich miteinander leben. Letzteres fuehrt uns zu einem weiteren Gedanken: Warum muessen alle darunter leiden, wenn einige sich nicht benehmen zu wissen? Nicht ohne Grund wurde bei uns die Sippenhaft abgeschafft. Es ist nicht rechtens, bestraft zu werden, weil einer aus unserer Mitte sich falsch verhaelt. Die Logik hinter solchen Strafen ist relativ simpel: 1. Kennen sich alle Beteiligten gut, wird der Einzelne darauf achten, nicht durch sein Verhalten die anderen zu schaedigen. 2. Wenn sich die Beteiligten nicht kennen, so erhofft man sich, dass sich viele zu unrecht Bestraften gegen den wenden, der die Strafe ausgeloest hat -- und nicht gegen den, der die Strafe verhaengt hat. Betrachtet man die heutige Gesellschaft, so ist klar, dass die erste Annahme absolut nicht greift. Man kennt sich nicht oder kaum, also nimmt man auch in der Regel keine Ruecksicht aufeinander. Der zweite Punkt ist auch kein Argument, denn niemand kann wollen, dass sich das Volk wieder die Gewalt vom Staate zurueckholt und selbst fuer "Ordnung" sorgt.