From: Boris Kraut Organization: Date: Wed, 05 Jan 2011 13:47:05 +0100 Category: Message-ID: <20110105124705.fGZGE2@silberbruch> Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: Kommunikation Ein schoenes Thema, gerade wenn man sich ewig und drei Tage nicht gemeldet hat -- ich hoffe ihr seid alle auch ohne meine Glueckwuensche gut durch das Weihnachtsfest und den Jahres- wechsel gekommen. Zwar ist mir heute gar nicht nach grossem Rumphilosophieren, sondern es wird wohl eher um Technik gehen, aber mal sehen, wohin mich die Gedanken treiben... Nun, ich habe in letzter Zeit immer wieder sehr drastische Einschnitte oder Veraenderungen in meinen Kommunikations- Alltag gewagt (so habe ich beispielsweise IRC den Laufpass gegeben und auch Jabber eine Weile nicht genutzt), viel herumprobiert, aber am Ende bin ich nicht wirklich zufrieden mit dem, was erreicht wurde. Neben all den technischen Fragestellungen, Problemen und Vor-/Nachteilen der einzelnen Kommunikationsmittel habe ich mich ja schon mehrfach auseinandergesetzt, aber der Haupt- grund, warum ich dieses oder jenes (nicht) genutzt habe, war, dass es "einfach keine Bereicherung mehr" war -- so formulierte ich damals den Abgang aus IRC. Auch bei Jabber hatte ich das Gefuehl, dass es mir nicht das gab, was ich suchte und stattdessen einfach viel zu viel Zeit kostete. Zeit habe ich auch jetzt nicht zu viel, aber vielleicht waren es die banalen Alltagsgespraeche, das "Herumnerden" und dabei interessante Links oder Themen aufzuschnappen, vielleicht war es der ziellose Gruppen-SmallTalk, dessen Vielfalt einen befluegeln konnte oder vielleicht war es das ungezwungene Zusammensein in einer Gruppe, um daraus neue Bindungen zu entwickeln. Es scheint mir fast so, dass wieder mal Marc Granovetter mit seiner Theorie von der "Staerke schwacher Bindungen" recht behalten haette, oder wie es der Medienpaedagoge Thomas Pfeiffer sagt: > Weil starke Bindungen (z.B. mit Freunden oder Arbeits- > kollegen) oft untereinander deckungsgleich sind (selber > Bekanntenkreis) gelangt auf diesen Wegen nur wenig neue > Information zu jemandem. Dahingegen haben schwache > Bindungen, wie man sie auf Twitter leicht unterhalten > kann, viel mehr Potenzial fuer Innovationen, weil auf > diesem Wege neue Impulse und andere Sichtweise zu einem > gelangen. Ich bin kein Fan solcher Einschaetzungen, weil die meisten Leute damit sehr unkritisch umgehen und nur versuchen ihre Verhaltensweise in bezug auf seichte Bindungen zu bestaetigen, allerdings darf ich auf der anderen Seite das alles auch nicht verdammen. Und auch wenn ich starke Bindungen doch immer bevorzuge, so scheine ich gerade wieder selbst zu merken, dass es ohne schwache Bindungen auch nicht geht. Der Mix macht es. Es stellt sich also die Frage, wie man/ich es schaffen kann mehr Zeit in schwache Bindungen zu investieren ohne dass zu viel Zeit von den starken oder anderen wichtigen Gebieten abgeht -- und das ganze auch so zu gestalten, dass ich nicht von dem ganzen Unsinn und Overheader, den das Aufrechterhalten von schwachen Bindungen mit sich bringt, genervt werde. Eine weitere wichtige Frage, um die es in diesem Post eigentlich gehen sollte, denn die ganze soziologische Herleitung wollte ich eigentlich ganz kurz abhandeln, dreht sich um die Technik bzw. den fuer solche schwachen Bindungen zu nutzenden Kommunikationskanal. Frueher habe ich IRC genutzt, aber damals wie heute habe ich das Gefuehl, dass sich dort der Zustrom an neuen Menschen doch eher in Grenzen haelt und dass man sich gerade bei schwachen Bindungen nach einer Weile nichts mehr zu sagen hat. Nier vergessen werde ich dieses Gefuehl, als ich vor einiger Zeit wieder anonym in einem meiner frueheren Channels war und dort tagelang kaum ein Wort gesprochen wurde. Solche tote Channel scheinen sich zu haeufen, oder ist es nur, dass es "meine" alten Channels sind, die aufgehoert haben ein belebter Ort zu sein? Pfeiffer nennt Twitter als Beispiel, das ich schon einige Male ausprobiert habe, aber es mir nie "gefallen" hat, selbst wenn ich die technische Betrachtung und meine Datenschutz-/Zentralisierungsbedenken ausser Acht gelassen habe. Koennte es sein, dass auch Twitter nicht mehr _DAS_ Medium ist? Nicht, dass ich erwarte, dass es von heute auf morgen zusammenbricht, nur der Zustrom an interessanten, aktiv bleibenden Kontakten scheint mir (vielleicht relativ zum Abgang) abzunehmen. Ist das so? Das letzte -- um mich hier mal auf technische bzw. Internet gestuetzte Wege zu beschraenken -- Mittel waerendie von mir sooft genannten sozialen Netzwerke. Aber hier scheinen die negativen Seiten fuer mich zu ueberwiegen, denn neben den Technik-, Datenschutz- und Zentralisierungsproblemen, wuerde es definitiv alles Unterhoelen, was ich bisher vertreten und proklamiert habe -- es sei denn ich waere durch neue Belege zu der Ueberzeugung gelangt, dass es wirklich falsch war, gegen diese Netzwerke anzukaempfen. Das ist nicht der Fall. Interessant koennte fuer mich vielleicht eher so etwas wie Diaspora [1] sein, da es -- wenn die Technik nicht mehr so katastrophal wie beim Launch ist -- die Zentralisierungs- probleme loest und den Datenschutz zumindest so weit ernst nimmt, wie man es bei einer eigenen Homepage auch tun kann. Denn defacto kann ma ja seinen eigenen Server (pod) erstellen und sich mit dem Netzwerk verbinden. Es ist also nur ein pseudostandardisierter Weg, Daten aus dem "Profil" einer Homepage zu uebertragen und sich besser zu vernetzen. Mh, ich bin ungluecklich ueber den letzten Absatz, denn man muesste mehr dazu schreiben, um das auszudruecken, was ich eigentlich damit sagen will, vielleicht ein ander mal, fuer jetzt bleibt es dabei: Ich werde soziale Netzwerke wie StudiVZ und Facebook weiterhin beobachten, aber nicht wirklich nutzen. Auch Diaspora werde ich mir anschauen und eventuell in seiner minimalsten Form nutzen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter weg. Wie immer freue ich mich auf etwas Feedback von aussen, denn gerade bei dem Thema sind ja einige von ecuh deutlich weiter und besser informiert als ich selbst! [1] http://de.wikipedia.org/wiki/Diaspora_(Software)