From: Boris Kraut Organization: Date: Thu, 26 Jan 2012 22:49:47 +0100 Category: Message-ID: <20120126214947.ClLSN7@silberbruch> Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: Filter Bubble Revised So, die neuste und aller neuste Wahrheit ist jetzt also, dass die Filter-Blase doch nicht existiert; sagt eine Studie. Ich finde das geht an der Problematik vorbei. Der Punkt ist doch, dass wir nicht mehr selbst filtern koennen. Ganz egal, wie gut die Algorithmen von Google oder Facebook sind, sie sind nicht offen -- und selbst wenn sie es waeren, wuerden die wenigsten Menschen sie verstehen. Und nicht nur Algorithmen sind es, die fuer uns das Filtern ueber- nehmen. Auch die beruehmt beruechtigten "walled gardens", die im echten Leben mit Mauern und eigenem Wachpersonal die gut betuchte Ober- und Mittelschicht vom Rest der Bevoelkerung trennen, damit man sich mit deren Problemen und Gedanken nicht auseinandersetzen muss, trennen auch im digitalen die Menschen, die doch "soziale" Netzwerke gerade verbinden sollten. Zwar wird niemand gezwungen ausschliesslich Facebook und Co. zu nutzen, aber schleichend und von den meisten Nutzern unbemerkt, aendert sich das Nutzungsver- halten: Es ist ja so praktisch, alles unter einem Dach zu haben und bei dem ganzen Inputsturm, vergisst man bald, dass man auch die Freunde ausserhalb hat. Da dauert dann das Beantworten oder das Schreiben einer Mail immer einen Tag laenger, bis es ganz zum Erliegen kommt. "Ich mach das morgen, ganz bestimmt, jetzt muss ich aber erstmal auf die Pinwand schreiben." -- "Ach, du wusstest nicht, das wir heute Abend ins Kino gehen? Aber ich habe es doch auf Facebook gepostet!" Und wieder verschwindet ein Mensch aus dem Bewusstsein. Die Gefahr der Filter-Bubble ist nicht, dass wir in der "Echo- kammer des Internets" leben und kritische Meinungen nicht mehr an uns rankommen -- das ist problematisch, aber nur eine moegliche Auswirkung -- die Gefahr ist, dass wir aufgehoert haben, Filter zu verstehen und sie selbstbestimmt einzusetzen.