From: Boris Kraut Organization: Date: Sat, 14 Jul 2012 20:30:53 +0200 Category: Message-ID: <20120714183053.ezvBKq@silberbruch> Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: Maenner und Frauen... ...darueber wissen ja alle so genau Bescheid, spaetestens wenn mal wieder ein Lied darueber geschrieben wird. Von (pseudo-) wissen- schaftlicher Seite weiss man zu berichten, dass sich jetzt ueber 50% der Paare im Internet gefunden haben -- wer da alles gezaehlt wurde, weiss ich nicht, aber wenn schon ein "wir haben uns auch nen paar Mal ueber FB hin- und hergeschrieben" reicht, muessten es imho noch deutlich mehr sein; von daher scheint sich die Zahl also wirklich nur auf den Erst- bzw. Hauptkontakt zu beziehen -- aber dass insgesmat die Minderheit der Singles stetig anwaechst. Ein Land der Einzelgaenger? Einsamkeit? Nein, nicht die Spur, denn unsere hyperkonnektive Welt bietet dem Single genuegend Ablenkung, genuegend Moeglichkeiten, sich trotzdem immer in einem sozialen Strom zu befinden -- hier eine WG-Party, da sich mal kurz fuer eine Grill- feier zusammengenetworked und am Ende geht man noch spontan ins Kino, um den Film zu sehen, der die meisten Likes im Freundeskreis bekommen hat. Alleinsein? Dafuer bleibt einem ja gar keine Zeit! Waehrend das Leben "als hyperkonnektiver Single mit schwachen, aber vielen Bindungen", einem Streben zur Mitte gleich, also immer interessanter zu werden scheint, schwindet das Verstaendnis fuer die "Randpositionen" weiter und weiter. Die Kirchen beklagen schon seit einiger Zeit den Verfall der Sitten und Werte, was natuerlich Unsinn ist: Werte aendern sich nicht, die Praeferenzen fuer gewisse Werte aendern sich -- und das ist fuer eine Organisation, die sich selbst zur Hueterin und Richterin einer ihr genehmen Werteordnung bestimmt hat, sehr gefaehrlich. Laesst man die Kirche als eine auf Hierarchie basierende Institution mal aussen vor, so trifft das Unverstaendnis natuerlich in erster Linie Menschen. Abgesehen von flapsigen Bemerkungen vor einer Heirat ("jetzt ist es vorbei mit der Freiheit") sind aber langfristige Be- ziehungen akzeptiert, gelten nach einer "Sturm- und Drang"-Phase sogar als Norm. Das Gefuehl der "Einsamkeit" dagegen wird viel zu haeufig als ein "gewolltes Alleinsein" oder eben als ein oben be- schriebenes Single-Leben missverstanden. Mich selbst nehme ich mich mal ganz raus, denn noch kann ich fuer andere entscheiden, was "richtig" ist, noch habe ich sonderlich viel Ahnung ueber "Maenner und Frauen" -- um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Ich weiss nicht viel darueber, wie sich das eine oder andere Geschlecht ueberlichweise verhaelt oder verhalten soll; vielleicht weiss ich es, aber zumindest verstehen tu ich's auf keinen Fall. Ich verstehe diese ganzen Spielchen nicht -- also sowas wie das gezielte Tanzen mit Fremden, um den (moeglichen) Partner neidisch zu machen, oder das "Rarmachen", das bewusste Nichtantworten auf Anfragen usw, um es dem anderen nicht zu leicht zu machen. Genau so wenig verstehe ich das Zwanghafte festhalten an "dem einen" rein aus der Hoffnung, dass es schon noch besser werden wird. Klar, in einer Beziehung laeuft nicht alles rund, man muss sich mal zoffen, man muss sich wieder zusammenraufen und eben Kompromisse eingehen. Aber wer sich immer nur ausnutzen laesst bis es zum grossen Knall kommt, sich dann bei Freunden ausheult, von denen wieder aufgebaut wird und dann doch wieder zum "verhassten" Partner zurueckkehrt (und das immer und immer wieder so ablaeuft), den kann ich nicht wirklich verstehen. Irgendwann muss es ein Ende geben... ...und -- was auf beide Faelle zutrifft -- irgendwann muss man sich entscheiden, muss zu sich und seinen eigenen positiven und negativen Gefuehlen stehen, muss das auch kommunizieren, muss verbindlich sein. Gerade das Fehlen dieser Verbindlichkeit, dieser Verlaesslichkeit, ist das, was mich sehr in dieser Gesellschaft stoert. Sich immer nur alle Moeglichkeiten offen zu halten und waehrendessen die Annehmlichkeiten der jetzigen Situation (sei es der feste Partner an der Seite oder die Freiheit und Wahlmoeglichkeit) zugeniessen, das finde ich falsch. Ich verstehe, wie gesagt, so vieles nicht, aber eine Sache, die weiss ich: Wer immer so handelt, der kann nichts vom Alleinsein, von Einsam- keit wissen -- und nein, ich rede nicht von ein paar Wochen ohne Mutti und Partner. Und wer das nicht weiss, der kann auch dem Partner nicht gerecht werden, kann nicht wertschaetzen, jemand zu haben, der fuer einen da ist, der einem den Ruecken freihaelt, auf den man sich ver- lassen kann, der einen bei abweichender Meinung kritisiert aber dann trotzdem stuetzt. Noch ein Wort zur Liebe: Ich habe hier ja schonmal den Unterschied zwischen dem "Verliebtsein", also dem Begehren -- ja dem Besitzen- wollen -- des anderen, und der "Liebe", d.h. dem tiefen Wunsch, dass es dem anderen gut geht, beschrieben. Letzteres wird haeufig falsch verstanden; haeufig auch in Liedern -- um den Bogen zum Anfang zu spannen. So singen die DTH z.B. glorifizierend und schmachtend davon, dass... > All das wofuer ich sonst so kaempfe > Wuerde ich tauschen gegen dich ...und unterliegen damit genau diesem Missverstaendnis: "Dem anderen alles geben zu wollen, was dieser will" -- das bedeutet eben nicht, dass man sich selbst zu diesem Wunschpartner machen soll. Anpassung und Kompromisse, ja, aber man sollte sich nicht vom oder fuer den Partner zu etwas machen (lassen), das man nicht ist. Man muss sich selbst treu bleiben, authentisch sein. Man sollte geliebt werden, wie man ist, nicht wie andere einen gerne haetten. Gegebenenfalls muss man dann doch anderen den Vortritt lassen, die den Partner dann eben doch gluecklicher machen. Welcome to the friendzone! Anmerkung: Der Artikel ist nicht wirklich aus einem Guss; er ist viel mehr aus den Entwuerfen und Ideen fuer zwei eigene und sehr unterschiedliche Themen enstanden. Was am Anfang ueber Wertepraeferenz der Gesellschaft gesagt wurde, mag etwas veraltet sein, denn inzwischen orakeln die Meinungsforscher ja ueber neue Trends zurueck zu "alten" Werten.. wie auch immer.