From: Boris Kraut Date: Thu, 06 Dec 2012 01:39:52 +0100 Category: Message-ID: <20121206013952.2CTVT8@silberbruch> Organization: Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: [.plan] Radikalitaet Wenn ich mir vorhin gewuenscht habe, etwas emotionaler, etwas radikaler in der Veranstaltung argumentiert zu haben, dann hatte ich schon den "Eben Moglen"-Style im Auge. Pfui! Das hat natuerlich schon etwas Be-Lehrendes und weniger mit Muendig- keit zu tun, doch: 1) Das letzte Zitat richtet sich gegen jemand, der wider besseres Wissen handelt. Aus Bequemlichkeit. Aus Ego- ismus. Auch hier gibt es natuerlich sanftere und evtl. bessere Methoden, aber wenn es brennt (oder jemand andere Menschen bedroht) greift man durchaus auch mal zu extremeren Formen. 2) Der Punkt mit dem Brennen ist ein guter Vergleich. Auch wenn es viele nicht so sehen, es nicht bemerken oder es nicht wahrhaben wollen, so glaube ich doch, dass wir immer haeufiger in Situationen kommen, wo nicht radikale Forderungen das Extremum ist, sondern das Verharren in der Situation selbst. 3) Radikalitaet wird heute meist negativ besetzt, aber im eigentlichen Sinne geht es ja eher darum, nicht an der "Oberflaeche" herumzumachen, sondern das Problem an der "Wurzel" zu packen. Auch wenn ich hier jetzt extreme und radikale Forderungen in Schutz nehme: Das ist kein Aufruf zu und keine Billigung von Gewalt. es muss klar sein, dass Loesungen in einem friedlichen Diskurs oder zumindest in nicht-schaedlichen eigenen Handlungen liegt. Es mag verwirrend sein, wenn ich hier von Facebook zu Politik wechsel, aber nach einiger Abstraktion bleibt hier wie dort nur ein System und dessen Akteure uebrig. Und wenn beides zusammen nicht harmoniert, braucht man Loesungen, die das eine, das andere oder eben beides entsprechend an- passen. Das Anpassen der Akteure, also der Menschen, ist zwar sehr schwierig, ist aber mit dem Bildungsgedanken zu erreichen, wenn auch nur schwer. Andere Moeglichkeiten -- Manipulation, Gewalt, Vernichtung -- gibt es zwar, sie sind aber nur auf kurze Sicht erfolgreich und idR zunehmend menschenverachtend. Das System an sich laesst leider nicht immer eine Aenderung von Innen zu, was bei Facebook nicht tragisch ist, weil eine Nichtnutzung vielleicht nicht leicht, aber durchaus moeglich ist. Das gesellschaftliche/politische System ist hier dagegen so ausgelegt, dass es aenderbar und anpassbar ist, wobei hier der Weg auch ueber die Menschen geht, was uns wieder zurueck zum Absatz oben fuehrt. Meine drei Dystopien sind dabei, dass... ... das System FB nicht mehr optional ist. Ich also gezwungen werde Teil eines Systems zu sein, dass nicht aenderbar ist. ... das aktuelle gesellschaftliche und politische System nur in der Theorie funktioniert und wir/ich laengst auch hier in einem nicht von Innen veraenderbaren System gefangen sind/bin. ... das aktuelle gesellschaftliche und politische System sich dem Modell von FB annaehert -- und die Menschen sich dank FB damit abgefunden haben, das das normal ist, die Dinge nicht aendern zu koennen, das auch gar nicht mehr wollen. Klar, hier noch mit FB zu argumentieren ist nicht sinnvoll, weshalb ich es auch nicht mehr ausgeschrieben habe. Aber ich hoffe es wurde prinzipiell klar -- und ich hoffe, dass ich nicht gerade ob der spaeten Stunde kompletten Stuss schreibe, weshalb ich lieber langsam zum Schluss komme: Ich weiss nicht, wovor ich mehr Angst habe: Vor der Moeglich- keit mal wieder ausgegrenzt zu werden, weil man nicht zum System passt oder davor mich wieder selbst auszugrenzen, weil das System nur noch von Aussen reparierbar zu sein scheint. Oder gar davor, dass ich solche Gedanken habe, wo es mir/uns doch in der BRD offensichtlich noch so gut geht...