From: Boris Kraut Date: Mon, 01 Jul 2013 23:26:46 +0200 Category: Message-ID: <20130701232646.mgc5ZE@trauerweide> Organization: Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: [.plan] Soziale Normen unter dem Primat der technischen Moeglichkeit (oder warum es weiterhin nicht okay ist, Menschen zu toeten) Reply-To: Boris Kraut Ui, ist schon ne ganze Weile her.. aber wie dem auch sei. Ich war beschaeftigt. Leider nur der kleinste Teil davon war einigen CMS-Veranstaltungen und ZIM-Fortbildungen geschuldet, u.a. auch zum ueblichen "Soziale Netzwerke"-Thema. Es ist dabei schon er- staunlich, wie oft diverse Befuerchtungen frueher abgetan wurden -- "das wuerden die nie tun" (tm). Und jetzt, wo die Beweise quasi fuer jeden sichtbar sind, da herrscht betretenes schweigen, aber wirklich konsequent handelt niemand. "War ja sowieso klar, aber da kann man halt nichts machen...", so die meisten Reaktionen. Zum Kotzen! Ich bin ja schon lang dazu uebergegangen, die sich gegenseitig be- dingenden Teilgebiete "Zentralisierung" und "Datenschutz" getrennt zu behandeln, weil es zwei ganz unterschiedliche Fragen sind. Der zweite Begriff faellt dabei eher am Rande, denn worum es wirklich geht ist "Datenethik", Selbst- und Fremddarstellung bzw. -wirkung: Mir ist klar, dass absolute Datensparsamkeit nicht machbar ist und nur als grobe Grundhaltung zu verstehen ist -- immerhin gibt es genuegend Information und Kommunikation ueber uns, ganz ohne unsere Beteiligung und ohne unser Wissen. Mir ist ebenso klar, dass diese Informationen auch gespeichert, abgehoert und ggf. gegen uns ver- wendet werden. Mir ist absolut bewusst, dass eine Totalueberwachung aller Menschen in Echtzeit technisch eher frueher als spaeter mach- bar ist und dass ich diese kommende Technik nicht aufhalten kann, vielleicht auch gar nicht will, weil sie evtl. auch viel Gutes bringen wird. Warum laesst du es dann nicht geschehen? Warum wirst du dann nicht selbst zum PostPrivacy-Befuerworter? Das Wort sagt schon alles: Ich befuerworte es nicht, ich finde es nicht gut. Und auch wenn man die Technik nicht aufhalten kann, ist eine Verzoegerungstaktik mehr als angebracht, um als Individuum wie auch als Gesellschaft den Umgang mit dieser Technik zu erlernen und unsere gesellschaftlichen Werte und Normen zu diskutieren. Und ich glaube, dass das, was wir heute unter Datenschutz und Selbstbestimmung verstehen auch in Zukunft wichtige Eckpfeiler in unserem Denken sein werden, ja sein muessen. Im Gegensatz zur landlaeufigen Meinung hat sich trotz der weiten Verfuegbarkeit von Waffen nichts an der Norm geaendert, dass man Leute nicht umbringen darf. Ich bin gespannt, ob die Leute, die den Wertewandel im "Datenschutz" fordern auch den Wertewandel beim Toeten von Menschen einfordern werden, wenn klar wird, dass man die Technik zum 3D-Drucken von Waffen ja sowieso nicht aufhalten kann.