From: Boris Kraut Date: Sat, 11 Jan 2014 02:26:45 +0100 Category: Message-ID: <20140111022645.00cLbd@trauerweide> Organization: Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: [.plan] Alternativen 2013 Reply-To: Boris Kraut Ueber den Text: Ende letztens Jahres hat mich Markus fuer ein Seminar nach den gaengigen Alternativen zu Facebook und Co. gefragt. Auch wenn es bei vielen Diensten eben genau nicht DIE Alternative gibt -- allein schon aufgrund er Nutzer- basis -- habe ich diese Aufstellung abgefasst. Es sind noch einige TODO- Anmerkungen im Text, denn eigentlich war die Idee, dass sich die Seminar- Teilnehmer mit etwas konkreteren Fragen per Mail oder Etherpad an mich wenden koennen. Leider ist das nicht geschehen. Die Adresse zum Pad ist . Ueber den Autor: Wer Facebook und Co. nutzt, zerstoert Gesellschaft und Demokratie. Meine persoenliche Meinung zu diesen Diensten ist relativ klar. Als Mitglied des CCC (Chaos Computer Club) engagiere ich mich in dessen "Chaos macht Schule" Projekt. Das Ziel: Jugendliche, Eltern und Lehrer nicht von meiner Meinung ueberzeugen, sondern sie begleiten auf dem Weg zu einer muendigen, kritischen Mediennutzung. Seit einiger Zeit bringe ich mich auch in der Lehrer"aus"- und Weiterbildung ein und war als (studentischer) Mitarbeiter in der IT- Abteilung einer Paedagogischen Hochschule taetig. Auch hier: Ich bin Idealist, aber kein Wirklichkeitsverweigerer. Ich kenne die Alltagssorgen und -zwaenge -- gerade die von unterfinanzierten oeffentlichen Einrichtungen. Man muss schauen, was vorhanden ist, was einem angedreht werden soll, was man wirklich braucht und wo man sparen kann. Sparen. Immer und immer wieder. Eine simple Frage eigentlich: Wieviel Freiheit koennen wir uns leisten? ------ Wenn ich nach Alternativen zu den ueblichen sozialen Netzwerken gefragt werde, muss ich meist weit ausholen, denn es gibt kein "Facebook in sicher". Grund dafuer ist unter anderem, dass die Probleme in der Struktur selbst liegen -- ob ich Daten bei Google, Facebook oder einem kleinen, lokalen Anbieter speichere, aendert meist nichts an den damit verbundenen Problemen -- oder sich die Entwicklung nicht lohnt: Nutzer wechseln meist nicht nur wegen kleinen Verbesserungen, sondern wegen echten Neuerungen oder Innovationen. Was viel eher zum Erfolg fuehrt ist eine Aufstellung von Anforderungen -- beides, positiver und negativer Natur. Was bietet mir mein aktueller Dienst? Was davon brauche ich wirklich? Was stoert mich? Zudem ist es ein Unterschied, in welchem Kontext man agiert. Geht es nur um meine eigene Nutzung, sind ggf. Bekannte involviert oder ist es gar fuer den Arbeitsplatz gedacht? Ich habe mir daher mal die Zeit genommen, ein paar Gedanken fuer die drei verschiedene Szenarien "institutionell- intern", "institutionell-extern" und "persoenlich" aufzuschreiben. Am Ende folgt Eine "Alternativen"-Liste. == Institutionell-interne Nutzung == Der Punkt laesst sich schnell abarbeiten. Interne Kommunikation muss intern bleiben, d.h. mal schnell ein Doodle zur Terminfindung nutzen, den Kollegen auf Facebook um ein Kommentar bitten, eine Praesentation bei Dropbox hochladen oder bei GoogleDocs zusammen an einem Text arbeiten, all das ist leider nicht moeglich und sollte auch nicht auf eigene Faust entschieden werden: Viele "kostenlose" Dienste sichern sich ueber die AGB -- d.h. vertraglich! -- weitreichende Verwertungs- rechte an den eingestellten Inhalten. Daneben sind datenschutzrechtliche Fragen zu klaeren. Wenn fuer die interne Kommunikation etwas noetig oder wichtig ist, dann muss sich darum entweder die hausinterne IT kuemmern -- fuer die meisten Anwendungsfaelle gibt inzwischen freie und kostenlose Software, sodass lediglich Kosten fuer Installation, Wartung, Betrieb und ggf. Schulung anfallen -- oder man kauft sich entsprechende Dienstleistungen und Produkte extern ein. Viele der "kostenlosen" Dienste gibt es auch in einer "Bezahlversion", ob die dann aber den Anforderungen (besser) entspricht, muss natuerlich noch geklaert werden. == Institutionell-externe Nutzung == Prinzipiell gilt auch hier der vorherige Absatz, jedoch mit einem Aber: Gerade in Sachen Oeffentlichkeitsarbeit moechte man dort aktiv sein, wo entsprechende Interessenten sind, man kommt also nicht vollstaendig um gewisse Dienste herum. Ich denke allerdings, dass man mit folgenden Grundsaetzen ganz gut faehrt: 1. Alle eigenen Inhalte sind auf einer eigenen Plattform verfuegbar. 2. Diese Plattform (konkret, z.B. die Website, ein Blog mit Kommentar- system, usw.) ist die offizielle Praesenz, die Hauptinformations- quelle. 3. Zusaetzlich koennen je nach Zeitgeist und Zielgruppe die relevanten Dienste von Dritten genutzt werden. Dort sollten keinen exklusiven Inhalte zu finden sein. Zudem sollte das dortige Angebot nicht als vollwertige Kopie angelegt sein, sondern als Teaser, um die Nutzer zu der eigentlichen "offiziellen" Seite zu lenken: Jeder, der die Hauptseite nutzt, muss nicht, wenn der Dienst nicht mehr angesagt ist, neu gewonnen werden. Dass jegliche Nutzung von solchen Diensten auch eine Werbung fuer diese Dienste ist, sollte klar sein. Ob das ethisch/moralisch/gesellschaftlich verantwortbar ist, ist wohl von Institution zu Institution verschieden. Eine kurze Info zu "Social-Plugins", also so etwas wie "Likes": Auch wenn es z.B. bei Facebook datenschutzrechtlich weniger bedenkliche Moeglich- keiten gibt, diese einzubauen, rate ich davon ab. Sie bewerben die Praesenz im jeweiligen Netzwerk, nicht die Hauptseite. Das sollte -- siehe (3) -- nicht das Ziel sein. Mund-zu-Mundpropaganda funktioniert auch im digitalen ganz gut. == Persoenlich-private Nutzung == Im Gegensatz zur institutionellen Nutzung, gibt es hier insbesondere zwei Unterschiede: Die wenigsten haben eine "eigene" IT, d.h. man wird wohl in der Regel fremde Dienste nutzen, denen man vertrauen muss. Der andere Punkt ist, dass man massivst unter sozialen Gruppenzwang geraten kann. Wenn ich Dinge nicht nutze, die meine Freunde nutzen, ist das fuer mich oder fuer meine Bekannten Mehraufwand. Einen Mehraufwand, den niemand gerne betreibt. Man wird manche Informationen nicht oder nicht zeitnah bekommen. Dabei gibt es gerade im privaten Umfeld meist gar keine technischen Gruende, die meisten Funktionen, die man nutzt, sind anderenorts ebenfalls verfuegbar, teilweise sogar deutlich besser. Nur hat man sich eben gewoehnt zu nutzen, was man bzw. was andere nutzen. Und was praktischerweise alles aus einer Hand bietet. Ganz egal, wie sehr man damit seine eigene Privatsphaere oder gar die von anderen verletzt. TODO: Bleibt hier nur die moralische Argumentation uebrig, oder kann man TODO: auch irgendwie anders argumentieren? Wer an seiner Privatsphaere interessiert ist, aber aus sozialen Gruenden sich nicht von Facebook o.ae. loesen kann/will, der kann sich an folgendem Experiment versuchen: Sein Profil KOMPLETT oeffentlich stellen und nur das zu posten, das auch jeder wissen darf. Wer ein Problem damit hat, dass andere gewisse Dinge erfahren, der sollte genau so ein Problem damit haben, dass der jeweilige Betreiber diese Dinge weiss. Aber wenn ich sowieso nur Dinge poste, die wirklich jedem zugaenglich sein koennen -- aber Vorsicht: Konsequenzen koennen sich auch erst mehrere Jahre spaeter oder nur unter einer anderen gesellschaftspolitischen Lage ergeben. --, warum benutze ich dann den jeweiligen Dienst, dem ich damit auch noch Nutzungsrechte einraeume? Wer das Experiment macht, wird feststellen, wie wenig man dann noch preis- geben will und wie die private Kommunikation so weit schrumpft, dass der vorherige Mehrwert der Nutzung verschwindend gering wird. Der Anbieter gewinnt aber trotzdem: - Jeder Nutzer ist die soziale Absicherung, dass ein anderer Nutzer zum Netzwerk hinzukommt (oder sich nicht abmeldet). - Auch die Nutzungsrechte an oeffentlich verfuegbaren Informationen koennen einen Wert haben. - Metadaten. Wie oft, wann, mit wem, von wo (usw.) kommunizieren wir. == Alternativen == Bei vielen Alternativen handelt es sich um "Standards", d.h. technische Spezifikationen im Gegensatz zu konkreten Produkten. Hier haben sich viele Menschen und Unternehmen zusammengesetzt, um bestimmte Probleme auf technischer Ebene zu loesen. Danach werden diese Standards in verschiedenen Programmen oder Diensten umgesetzt. Vorteil: In der Regel koennen Nutzer aus verschiedenen Anbietern oder Programmen den jeweils passenden waehlen und koennen trotzdem mit Nutzern eines anderen Anbieters kommunizieren. Andere Standards legen bestimmte Austauschformate fest, d.h. man kann zum einen Daten austauschen udn gegenseitig bearbeiten, zum anderen kann man aber auch alle Daten sichern oder zu einem anderen Anbieter umziehen. Nachteil: Der Markt zersplittert. Man hat einen -- meist technisch ge- praegten -- Name fuer den Standard, jeder Anbieter oder jedes Programm hat aber einen eigenen Namen. Das macht Einzel- empfehlungen schwierig und verwirrt einige Nutzer. Zudem dauert es eine Weile, bis so ein Standard "ausgewachsen" ist, d.h. alles ueberall reibungslos funktioniert oder alle Teilgebiete unterstuetzt werden. = Facebook = Facebook oder andere sozialen Netzwerke der "aktuellen Generation" sind meist nur die Zusammenfuehrungen von vielen haeufig genutzten Funktionen unter einer Oberflaeche. Das Ziel: Der Nutzer soll das jeweilige Netzwerk nicht verlassen muessen. Die "freien" Alternativen kuemmern sich meist immer nur um einen Teil- aspekt. Friendica ist ein Projekt, das die Zusammenfuehrung zumindest teilweise angeht. Folgt man allerdings meinem Rat und stellt erstmal die Anforderungen zusammen, kann man einzelne Funktionen vielleicht mit einer deutlich besseren Alternative abdecken. [FRIENDICATEST] http://friendica.com/node/31 (Friendica zum Ausprobieren) [FRIENDICA] http://dir.friendica.com/siteinfo (kostenlose Friendica-Server) = Whatsapp = Whatsapp baut auf einem Standard fuer Kurznachrichten -- XMPP oder Jabber ge- nannt -- auf, den sie allerdings mit einigen Veraenderungen verwenden: Sie buendeln unter einem Namen den Dienst und die Software. Ausserdem lassen sie keine Kommunikation von und zu anderen Diensten, die den selben Standard nutzen, zu. Das sogt dafuer, dass Nutzer nicht abwandern koennen und erlaubt eine weitere Vereinfachung fuer den Nutzer: Der Nutzernamen wird automatisch aus der Telefonnummer generiert, d.h. man kann sofort mit einem Freund, dessen Telefonnummern man (d.h. Whatsapp; es kennt das komplette Adressbuch) kennt und der auch Whatsapp hat, schreiben. Die Alternative ist ein Jabber-Anbieter, der diese Restriktionen nicht ver- wendet, was im Umkehrschluss bedeutet, dass man jedem seiner Kontakt aber sowohl eine Jabber-Anleitung wie auch seinen Jabber-Benutzernamen mitteilen muss. Einige Email-Anbieter bieten Jabber an, haben einen eigenen Client und verwenden als Benutzername die Email-Adresse, haben also fast alle der o.g. Vorteile. [JABBER] http://einfachjabber.de/ (einfach und verstaendliche Einleitung) = Skype = Jabber (siehe WhatsApp) unterstuetzt je nach eingesetzter Software auch Audio- und Videokommunikation. Es gibt auch einen weiteren Standard, der beides bietet und sich bei Telekommunikationsunternehmen schon relativ gefestigt hat, SIP. SIP kann man per Software nutzen, aber es gibt auch handelsuebliche Hardware- telefone, die SIP unterstuetzen. [Ausblick: Es wird gerade an einem Standard namens WebRTC gearbeitet, um Audio- und Videonachrichten direkt von einem Browser zum anderen zu schicken. Die Technik funktioniert seit diesem Jahr in vielen Browsern, entsprechende Angebote koennten also bald Skype ueberfluessig machen... koennten. Eine Moeglichkeit unter vielen ist palavaTV, s.u.] [JABBER] http://einfachjabber.de/ (einfach und verstaendliche Einleitung) [JITSI] https://jitsi.org/ (XMPP/SIP-Client mit Fokus auf Audio/Video) [PALAVATV] http://palava.tv/ = DropBox = Ganz egal welchen Online-Speicher man verwendet, das Problem bleibt: Kann ich meinem Anbieter vertrauen -- mit Blick auf Vertraulichkeit des Inhalts wie auch auf Verfuegbarkeit. Ersteres muss man durch Datensparsamkeit und/oder (eigene) Verschluesselung sicherstellen, zweiteres mit eigenen Backups. Andere Dienste (kostenlos wie auch kostenpflichtig) setzten auf einen Standard, WebDAV, den man auch ganz ohne Zusatzsoftware nutzen kann. Unternehmen oder Institutionen sollten einen eigenen Online-Speicher zur Verfuegung stellen (und machen das meistens auch, ggf. unter dem Namen "Netzlaufwerk"). Einige Mailanbieter bieten auch ein paar Megabyte an WebDAV-Speicher an, z.B. bei GMX unter dem Namen "Mediacenter". [WEBDAV] http://de.wikipedia.org/wiki/Webdav = Twitter = Twitter ist ein zweischneidiges Schwert. Aehnlich wie beim Facebook-Experiment wuerde ich hier keine privaten Dinge posten, auch nicht in einem geschuetzten Stream oder in einer PM. Ausserdem missfaellt mir, dass immer mehr Diskussion dort stattfindet, statt z.B. bei dem diese Diskussion betreffenden Artikel, aber so lange das nicht exklusiv so ist, kann man wohl damit leben. Von daher ist es nur ein weiteres Unternehmen, das Versucht menschliche Kommunikation und die Inhalte seiner Nutzer zu monetarisieren. Von daher ist es nur ein Beispiel von vielen, im Grunde gehoeren auch viele Webseiten oder Foren in die gleiche Kategorie. Etwas offener und dezentraler ist z.B. Identi.ca -- die Nutzung erkauft man sich jedoch mit deutlich weniger (aktiven) Nutzern. Gegen die Verwirrung: "Identi.ca" ist einer der prominentesten Vertreter, die die Software "Status.net" (bzw. heute "Pump.io") einsetzen. Anbieter, die auf diese Software setzen, koennen untereinander Nachrichten austauschen. [IDENTICA] http://identi.ca/ = Doodle = Terminplanung gehoert sowohl im privaten als auch im institutionellen Bereich zu einer gleichermassen sensiblen wie auch kritischen Anwendung. Ich wuerde nicht auf die Idee kommen so etwas auszulagern. Wenn man das nicht sowieso in einer entsprechenden Software macht, wuerde ich zu Dudle raten. Das gibt es sowohl online oder aber auch zur in-house Installation. [DUDLE] https://dudle.inf.tu-dresden.de/privacy/ = Interactive White Board Software = Kurz zu IWB-Software, auch wenn es vielleicht nicht ganz so relevant ist: Anstatt auf die Software des Herstellers zu setzen, die einen entweder an Hardware oder Software bindet bzw. diese Bindung zumindest nahelegt, ist der Einsatz von freier Software nahezulegen. Konkret gibt es mit OpenSankore eine ziemlich ausgereifter Loesung. Doch eine Frage sollte man sich auch dann noch stellen: Was will ich mit dem Board machen? Wozu brauche ich eine "spezielle" All-In-One-Loesung? IWBs sind deutlich mehr als Tafeln, deswegen ist es sehr zu empfehlen fuer dieses "mehr" auch "mehr" an Softwarevielfalt einzusetzen, z.B. Xournal zum Mitschreiben, daneben den Browser zur Live- Suche oder oder oder. [OPENSANKORE] http://open-sankore.org/ TODO: GoogleDocs -> Geht es ums zusammenarbeiten (gleichzeitig!) oder ums onlinearbeiten?? TODO: MindMapping -> Sowas wie http://drichard.org/mindmaps/ ist ganz nett, aber ist noch nicht das, was ich langfristig empfehlen wuerde. Fuer mal eben ne Mindmap machen, kann man sowas aber nutzen. TODO: Conceptboard -> WebRTC kann Screen/Tab-Sharing uvwm. Kenne derzeit aber keine "fertige" Loesung. Bei Jabber gibt es auch Clients mit nem Drawing-Teil, aber es ist nicht weit verbreitet. TODO: Adobe Connect -> Big Blue Button, WebRTC