From: Boris Kraut Date: Tue, 14 Jan 2014 01:00:10 +0100 Category: Message-ID: <20140114010010.gKv6IN@trauerweide> Organization: Keywords: Comments: To: undisclosed-recipients: ; Subject: [.plan] Offene Wunden Reply-To: Boris Kraut Es war Sommer. Mittagspause. Warten auf den Unterricht. Im Hof standen ein paar alte -- zumindest vermute ich das -- Baeume, die von Baenken umschlossen waren. Auf genau so einer lag ich und liess mir die Sonne ins Gesicht scheinen. "Hey, was machst du denn da?" "Ich hoer Musik." Gut, es waren Talks, aber mit den In-Ear-Kopfhoerern und einem MP3-Player kann man es auch als Musikhoeren bezeichnen. "Und womit?" Ich hielt den Player hoch. "Ui, typisch Boris. Bei anderen ist das gerade mal die Fernbedienung.." -- wir erinnern uns, es war die Zeit, wo die meisten einen CD-Player hatten und MiniDisk mit einer Fern- bedienung am Kopfhoererkabel der letzte Schrei war -- ".. und bei dir ist das das ganze Geraet." Ich weiss nicht, was wir noch alles geredet haben. Eigentlich kann ich mich nur an sie erinnern. Wie sie da stand, wie ihr Haar in der Sommersonne glizerte. Seufz. Noch weiter zurueck, Klassenfahrt nach Muenchen. Sie hatte mir das Versprechen abgenommen, nicht ueber Computerzeugs zu reden und es hat auch so weit geklappt -- Ich weiss nicht, ob das an mir lag oder ob es mir deswegen so leicht gefallen ist, weil ich sowieso nie viel redete: Still. Zurueckgezogen. Weltfremd. Wissen se schon... -- und am letzten Tag, auf dem Weg zum oder am Bahnhof ploetzlich die Frage: "Was ist denn das?" Ich wende meinen Blick zur Seite auf einen Laden mit zwei Logos: Einem umkringelten Telefonhoerer.. und einem @-Zeichen. "Nen Internet- Cafe, warum?" Es hat einen Moment gedauert, bis ich das Laecheln in ihrem Gesicht verstanden habe. Gut, sie haette sowieso ge- wonnen: Schon am Anfang auf dem Weg zum Hotel sind wir an einem Computerladen mit PCI-X- oder PCI64-Karten vorbeigekommen, die unter den Jungs fuer einige Verwirrung sorgten. Ich habe auf- klaererisch gewirkt und sie hat es ja auch nicht mitbekommen, von daher... Auch die dritte Episode liegt noch weiter zurueck. Zur "grossen Pause" mussten wir in einem Turm nach unten zum Hof. Auf halber Hoehe ergab sich ein Schwaetzchen mit einem Kumpel. Waehrend die Horden an Schuelern sich durch das kleine Treppenhaus den Weg an uns vorbei ins Freie bahnten, kam das Gespraech auf die Maedels. "Kein Interesse? Aber wen findest du denn zumindest nett?" Nun, nicht der erste und nicht der letzte Tag, an dem ich lernen durfte, dass Vertrauen in Menschen nicht zu rechtfertigen ist: Nach der Pause prankte es schon an der Tafel. Gemeinsam brachten wir den Uebeltaeter zur Strecke. Seufz. Ich wuenschte, wir haetten haeufiger Dinge gemeinsam gemacht. Es gibt noch viele solcher Momente, die sich bei mir eingebrannt haben -- und ich bin mir relativ sicher, dass andere oder "sie" sich ueberhaupt nicht daran erinnern --, aber es geht nicht darum aus der Vergangenheit zu erzaehlen: 9 Jahre gemeinsame Schulzeit und 9 Jahre nahezu komplett getrennte Wege danach. Und ich kann immer noch kein vernuenftiges Gespraech mit ihr fuehren (selbst wenn es die Technik mal zulaesst). Ich Lusche... [Und nein, das ist keine Ewiglieben-Geschichte, es geht wirklich nur um Reden, wie man das wohl so in eurer Welt macht, wenn man sich lange nicht gesehen hat.]