From: Boris Kraut To: undisclosed-recipients: ; Date: Mon, 03 Mar 2014 03:09:54 +0100 Message-ID: <20140303030954.K4NWn3@busy.local> Reply-To: Boris Kraut Subject: [.plan] Re: Alternativen 2013 (1) In dem angesprochenen Text beginne ich ja gleich mal mit einem ziemlichen Klopper, der es fast -- aus dem Bemuehen um Dialog und Hoeflichkeit -- nicht in die Mail geschafft haette (Danke an Markus fuers Treten ;)): > Wer Facebook und Co. nutzt, zerstoert Gesellschaft und Demokratie Eben Moglen stoesset natuerlich ins gleiche Horn, drueckt aber nicht nur seine Meinung aus, sondern erklaert sie auch -- und ist natuerlich auch rhethorisch eine ganz andere Kategorie. Er prangert an, dass uns oft gesagt wird, dass wir bei der Nutzung einen Deal schliessen: "Du gibts deine Privatsphaere auf und dafuer bekommst du den tollen Service." Zwei Parteien, die eine gegenseitige Uebereinkunft treffen. Nun, das ist deswegen schon falsch, weil ja nicht nur zwei Parteien be- troffen sind: Man kann keine Entscheidungen fuer andere treffen, aber genau das macht man, wenn man Facebook nutzt. Man zieht andere mit rein, und sei es nur weil man dumm genug war sein Adressbuch dort hochzuladen (oder Whatsapp zu nutzen, was ebenfalls das Adressbuch ausliest und nun von Facebook ge- kauft worden ist) oder Fotos mit "Freunden" zu taggen oder oder oder. Der zweite Punkt -- und da kommen wir langsam auf das ge- sellschaftliche Problem -- ist etwas, das man sacken lassen muss und viel grundsaetzlicher: Wir haben nicht ohne Grund bestimmte "Gueter" vom komplett freien Handel ausgenommen bzw. ihr Handel unterliegt strengen Auflagen: Wir haben ein Recht auf Nahrung, auf ungehinderten, freien Zugang zu Trink- wasser, auf Umweltschutz uvm. Leider wird das von der Industrie immer mehr ausgehoelt -- Lebensmittelskandale, Privatisierung von Wasserwerken/-quellen, "Emissionshandel" oder die Frage, warum die Entsorgung von Atommuell der Gemeinschafts angelastet wird und nicht in den Verkaufspreis des Atomstroms eingerechnet werden muss -- aber grundsaetzlich haben diee Dinge einen Wert in sich: Sie sind fundamental wichtig fuer das Ueberleben und den Zusammenhalt in einer freien Gesellschaft. Jeder Versuch, ihnen einen externen, finanziellen Wert zuzuweisen, wackelt an einer unserer Grundfesten: Alle Menschen sind gleich. Der Wert eines Menschenlebens ist nicht berechenbar. So wie diese Dinge fuer das "Ueberleben" notwendig sind, so ist auch Privatsphaere notwendig fuer das "Leben" in Freiheit, in einer freien Gesellschaft. Privatsphaere -- Moglen differenziert hier zwischen drei Aspekten: Secrecy (die Nachricht an sich ist geheim und kann nur vom Empfaenger gelesen werden), Anonymity ( ich kann Nachrichten schreiben, ohne mich selbst zu erkennen zu geben), Autonomy (ich kann mich unbeobachtet informieren und eigene Entscheidungen faellen) -- ist also auch etwas, das man nicht handeln oder verkaufen kann/koennen sollte. Kurz: Oftmals scheinen wir den Akt der Kommunikation sehr aktiv zu sehen, etwa wenn man eine Nachricht schreibt oder sich mit jemand -- ueber welches Medium auch immer unterhaelt. Auch haben wir gelernt, dass dabei Metadaten anfallen (wer/wann/mit wem/usw.), die ebenfalls problematisch sind. Und trotzdem scheinen wir uns nicht bewusst gewesen zu sein, dass auch die eigene Suche nach Informationen -- jede "Anfrage" bei Google ist eigentlich keine Frage, sondern eine Aussage: "dieser Begriff interessiert mich" -- ein Akt der Kommunikation ist und ebenfalls beobachtet wird. In der extremen Form muss man nicht mal aktiv suchen, allein das Lesen eines Textes ist schon eine Aussage, die Geheimdienste und Unternehmen gleichermassen registrieren und auswerten -- ganz egal wie sinnvoll oder korrekt die daraus gewonnene Erkenntnis sein mag. Doch es kommt noch schlimmer, denn da wir uns immer in einer aktiven Rolle gesehen haben -- wir tun etwas und das wird ge- sehen --, haben wir verkannt, dass die Dienste natuerlich schon immer mitgestalten, Texte und Informationen streuen, mit uns ueber die ein oder andere Zwischenstelle kommunizieren: Sie wirken massiv auf unsere eigene Willensbildung ein, was am Ende zu der krotesken Form des "Ministerium fuer Wahrheit" in 1984 fuehren kann, das laufend damit beschaeftigt ist die Ge- schichte und Nachrichten zum jeweils passenden Narrativ umzu- schreiben. Wir muessen das stoppen. Jetzt. Und das ist nicht verhandelbar. [0] http://snowdenandthefuture.info/ [1] http://www.spiegel.de/netzwelt/web/kolumne-von-sascha-lobo-snowden-wird-politisch-verfolgt-a-910147.html [2] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Kommentar-Die-Ueberwachung-durch-NSA-Co-gefaehrdet-die-Demokratie-1974714.html