From: Boris Kraut To: undisclosed-recipients: ; Date: Thu, 22 Oct 2015 00:26:09 +0200 Message-ID: <20151022002609.KbePcg@android-1246794.local> Reply-To: Boris Kraut Subject: [.plan] Designed for Internet Explorer Nein, das hier wird kein Aufreger ueber obsolete Software oder irgendwelche Legacy-Webanwendungen, die doch noch auf einen IE -- und dazu noch in einer uralten Version -- beharren. Es geht eher darum, dass wir daraus nichts ge- lernt haben. Das Grundproblem ist doch, dass wir (in diesem Falle) Software so "designen", als ob wir schon ganz genau wuessten, wie die Umstaende und Bedingungen sind, in/unter der diese Software eingesetzt wird. Klar, man hat natuerlich immer ein gewisses Ziel, evtl. sogar eine Zielgruppe, aber immer mehr wird sich auf solche Vorgaben verlassen. Ich weiss nicht, evtl. ist es nicht mehr Ziel, eine moeglichst breite Nutzung auch ausserhalb des vorher- gesagten, angedachten Rahmens zuzulassen, oder man vertraut zu sehr den Um- fragen oder Meinungen von "Profis". Vielleicht ist es auch eine falsche Arbeitsumgebung: Wer als Entwickler nur die "idealen" Gegebenheiten um sich herum findet, der koennte schnell verleitet werden, dies als normal anzusehen. Ich weiss es nicht. Anstatt fuer den IE werden heute Programme fuer eine staendige, stabile und schnelle Internetverbindung designed -- und das obwohl es (in DE) immer noch weite Gebiete gibt, die nicht ueber nennenswerten Breitbandzugang verfuegen, obwohl die gaengigsten Zugangstechniken inzwischen alle drahtlos arbeiten und daher inherent unstetig sind. Die Konsequenz muesste doch ganz logischerweise sein, dass man darauf achtet, dass die Basisfunktionalitaet auch offline funktioniert und diese generell im Programm bzw. in der ersten Programmversion vorhanden ist. Aber das Gegenteil ist der Fall: Day-One-Patches sind keine Seltenheit, genau wie das Nachladen oder Streamen von essentiellen Funktionen. Fuer den Anfang wuerde ich mich auch mit sehr simplen Verbesserungen zufrieden geben: Wenn eure Software nur mit einem Betreiber-Account funktioniert, dann stellt sicher, dass ihr eine Option anbietet, den Benutzername und das Passwort fuer die Dauer einer Session zu speichern! Rechnet damit, dass der Benutzer die Verbindung verliert, ggf. auch ungemerkt, d.h. eure Software muss in der Lage sein Verbindungen samt Anmeldevorgang neuaufzubauen. Haeufig ist das ja schon so, nur die wenigsten Entwickler scheinen damit zu rechnen, dass diese Probleme auch beim ersten Anmelden passieren koennen. Ich durfte heute fast 10 mal ein Passwort an einem mobilen Geraet eingeben, weil die Formulardaten immer wieder zurueckgesetzt wurden. Ohne Moeglichkeit diese zu speichern oder sie in die Ablage zu kopieren. Wer schonmal laengere Passphrasen auf Touchgeraeten ein- gegeben hat, wird meinen Frust verstehen... oder soll mich das dazu verleiten einfachere Passwoerter zu nutzen? Oder einen Single-Sign-On-Anbieter a la Google, Facebook und Co.? Auch Downloads sind eigentlich ein Problem, das ich als geloest abgetan habe. Selbst unter Windows zu 56k-Zeiten gab es Downloadmanager, die Resuming unter- stuetzten. Dieses Feature scheint bei so einigen mobilen Anwendungen noch nicht angekommen zu sein. Aber auch auf Stationären PCs, NAS, Konsolen usw. gibt es zwar meist die Moeglichkeit, aber einen Download automatisch nach einiger Zeit wiederaufzunehmen, das scheint vielen ein ganz unnatuerlicher Wunsch zu sein: Liebe Entwickler, wenn ich eurem Geraet schon erlaube, dass es im Hintergrund Downloads ausfuehren darf, dann macht das auch. Ich moechte nicht noch einmal -- gerade bei einer langsamen Internetverbindung -- einen grossen Download an- stossen und nach einigen Stunden zurueckkommen, nur um feststellen zu muessen, dass er nach 20 Minuten Laufzeit pausiert wurde weil zeitweise das Internet lahmte oder der Remoteserver nicht erreichbar war. Das waren jetzt nur zwei Beispiele, weitere hatte ich zu anderer Zeit hier schonmal genannt. Leider muss man davon ausgehen, dass die Zugangsqualitaet eher abnehmen als steigen wird: Evtl. bekommen wir ein schnellereres Netz, aber dafuer werden die Ausfallhaeufigkeiten steigen -- mehr Nutzer, ein gefiltertes oder zensiertes Netz, marode Infrastruktur usw. werden ihre Auswirkungen spuerbar sichtbar machen. Es ist klar, dass die meiste moderne Software nicht fuer diese Zukunft taugt... und daran duerfte sich auch nichts aendern, denn die meisten Unternehmen sind ja bestrebt den Nutzer moeglichst abhaengig zu machen -- Funktinalitaet und Daten in die Cloud, der Nutzer staendig online und damit ueberwachbar. Das perfide daran ist, dass "alles in die Cloud" das Problem ist, von den Unternehmen aber als die "Loesung" an- gepriesen wird: Speichert alles online, dann koennt ihr jederzeit daruf zu- greifen. Hier wird so getan, als ob der Geraetewechsel oder -ausfall das Problem sei, nicht die Konnektivitaet. Zum Glueck gibt es auch einige neue Bestrebungen, die dem Trend entgegenstehen, z.B. das vermehrte Setzen auf lokale, direkte Kommunikation zwischen Geraeten und Nutzern, oder das "robust" machen von XMPP, IRC und anderen Alt-Technologien. Dennoch werde ich das Gefuehl nicht los, dass wir vor einer ganzen Weile, als Internet wirklich noch anfaellig und RocketScience war, die bessere Software fuer die Probleme der Zukunft hatten.