From: Boris Kraut To: undisclosed-recipients: ; Date: Sun, 15 Nov 2015 20:08:46 +0100 Message-ID: <20151115200846.o533g3@android-1246794.local> Reply-To: Boris Kraut Subject: [.plan] Einsamkeit vs. technische Ueberlegenheit Ich habe es schon oft erzaehlt und doch tut es mir jedesmal aufs neue weh, das Paradoxon meines Lebens: Frueher war ich ein Aussenseiter, weil ich Technik genutzt habe, heute bin ich einer, weil ich bestimmte Technik nicht nutze. Und waehrend die Gesellschaft ihre Sozialsphaere der Technik und den AGB von Gross- konzernen unterwirft, muss ich unter dieser Zwangsisolation leiden. Diese Gesellschaft entzieht mir mehr und mehr sozialen Stimulus, sie setzt Einsamkeit und Isolation als Waffen der Konformation ein. Frueher oder spaeter wird man gebrochen.. oder zerbricht vollends. Technik war nie als Loesung, sondern als Unterstuezung fuer soziale Fragen gedacht, doch jetzt uebernimmt sie zu einem grossen Teil essentielle Funktionen und tut dies in einer Weise, die Nicht-Nutzer komplett ausschliesst. Es ist nicht so, dass die Gesellschaft verlernt anderweitig Kontakt zu knuepfen und zu halten, nur wird der Kontakt zu Nicht-Nutzern jetzt als viel zu umstaendlich wahrgenommen -- er beschraenkt sich auf ein Minimum, flaut ab oder kommt erst gar nicht zustande. Allein um z.B. die Dating-App Tinder zu nutzen wird erwartet, dass ich..: * Ein Smartphone mit Android oder iOS habe. * Unter Android Google's proprietaere play-services installiert habe. * Den PlayStore samt Google-Account (oder den Amazon-Store samt Amazon- Account) installiert und eingerichtet habe. * Eine verifizierte Telefonnummer habe (Tablets?). * Einen gut gepflegeten Facebook-Account (d.h. mit Bildern, Likes und Freunden) besitze. Ich tue mir schon schwer die AGB eines der genannten Unternehmen zu akzeptieren, geschweige denn proprietaere Software zu installieren, aber das alles auf einmal? Wie kann ich das vor mir selbst verantworten? Und das alles aus der Hoffnung, ja dem Heilsversprechen heraus, dass Tinder die idealer Moeglichkeit waere, um mehr potentielle Partner kennenzulernen? Doch was sind die Alternativen? Gibt es welche, oder habe ich einfach schon komplett verloren? Ich stehe -- mal wieder -- an der Schwelle mich selbst zu verraten, gegen meine Ueberzeugung zu handeln. Und auch wenn ich mich diesesmal noch ab- wenden kann, weiss ich, dass die Einschlaege naeher kommen. Irgendwann werde ich einknicken, werde ich fallen. Man (ich?) kann Einsamkeit und sozialem Druck nicht ewig widerstehen... doch was bleibt nach dem Suenden- fall noch uebrig von meinem Selbst? 30 Jahre gelebt und alles verraten und aufgegeben?