From 4050363c4df09ad1afd2efac67fff88c8ad59439 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Boris Kraut Date: Mon, 2 May 2016 12:16:08 +0200 Subject: [PATCH] Re: Medieninteresse --- 2016-05-02T10:16:04Z.msg | 111 ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 111 insertions(+) create mode 100644 2016-05-02T10:16:04Z.msg diff --git a/2016-05-02T10:16:04Z.msg b/2016-05-02T10:16:04Z.msg new file mode 100644 index 0000000..19dc7d3 --- /dev/null +++ b/2016-05-02T10:16:04Z.msg @@ -0,0 +1,111 @@ +From: Boris Kraut +To: undisclosed-recipients: ; +Date: Mon, 02 May 2016 12:16:04 +0200 +Message-ID: <20160502121604.TJ0fYz@ubuntu.local> +Reply-To: Boris Kraut +Subject: [.plan] Re: Medieninteresse + +Meillo hat gerade [0] einen sehr interessanten Artikel ueber sein +Medieninteresse, ja seinen "Medien_konsum_" verfasst. Und obwohl +ich prinzipiell daran glaube, dass mehr Informiertheit zu besseren +Entscheidungen -- fuer den Einzelnen wie auch fuer die Gesellschaft +-- fuehrt, kann ich seine Einschaetzung nur allzu gut verstehen, +ja sogar teilen. Denn die eigentlichen Fragen ist natuerlich nicht +nur, ob das so stimmt, sondern ob die aktuelle Medienlandschaft +uerberhaupt zu einer solchen Informiertheit fuehren kann: Koennen +Menschen mit der Masse an Informationen umgehen? Sind diese +Informationen ueberhaupt relevant? Sorgen Informationen wirklich +fuer bessere Entscheidungen? + +Ohne weiteres Abschweifen, hier meine Antwortmail: + +--- + +Hey, + +ich kann dich so gut verstehen! Ich glaube, wir haben darueber schon +mal redet, wahrscheinlich sogar schon mehrfach -- mal unter dem Thema +RSS, mal unter dem Stichwort "informatio overload". Bei mir is es so, +dass ich regelmaessig den Koller bekomme und meine Informationsquellen +komplett ausmiste. Aber nach einer Weile, ist es dann doch wieder "zu +viel". + +Warum ist das so? Ich koennte nicht sagen, was der letzte darueber er- +haltene Artikel war, der mir da irgendeinen Mehrwert gebracht haette. +Klar, schon interessant zu lesen, aber hat es eine Relevanz fuer mein +eigenes Leben gehabt? Eher nicht. Und so verwunderlich ist das auch +gar nicht, denn auch wenn es immer wieder neue wissenschaftliche Ent- +deckungen gibt (und das ist auch gut so!), sind viele grundlegende +Fragen schon durchdacht worden -- nicht final bewertet, aber zumindest +liegen die Argumente auf dem Tisch. Und auch im technischen erlebe ich +eigentlich immer nur, dass altes immer neu und neu verpackt wird. + +Also nochmals die Frage: Warum les ich das dann ueberhaupt? Um ehrlich +zu sein, es gibt nur zwei Gruende: + +Neugier. Die Gier nach Neuigkeiten, hier im negativsten Sinne: Nicht +"wissbegierig", nicht "Forscherdrang", sondern wirklich das gezielte +Farmen von "positiven" Stimuli durch Neuigkeiten. Und dabei ist es +genau das, was im Endeffekt zum "information overload" fuehrt. Anstatt +ueber diese Informationen eine bessere Einschaetzung und daraus +resultierend bessere Handlungsoptionen zu gewinnen, versinkt man im +Nichtstun, im Stillstand. Zu viel passiert. + +Vielleicht geht es bei den ganzen Medien auch schon lang nicht mehr +darum, zu informieren, sondern um Ruhigstellen? Um Kontrolle? Fuehlt +man sich selbst nach der Tagesschau wirklich informiert? Und trifft +man aufgrund dieser Informationen wirklich andere Entscheidung? Wird +man aktiv? Oder ist das nicht im Endeffekt pseudo-intellektuelles +Zeittotschlagen, nicht besser als ein typischer Kinofilm bzw. eine +TV-Serie? + +Die Frage treibt mich schon seit einiger Zeit wieder verstaerkt um, +gerade wenn ich mir anschau, wieviel Lebenszeit ich bereits in solche +Bespassung investiert habe. Richtig bewusst wurde mir das erst, als +ein Bekannter mir seinen neusten App-Zuwachs zeigte: Man gibt dort +seine Serien und Filme an und die App berechnet einen die verbauchte +Lebenszeit. Und statt geschockt zu sein, wird da teilweise ein Wett- +kmapf drausgemacht, moeglichst viele "Punkte" zu sammeln -- ohne +Worte. Dabei muesste ich mir keine Gedanken machen, ich habe kein TV +und mein Film- und Zockkonsum haelt sich in Grenzen. Und trotzdem +werde ich auch morgen wieder Game of Thrones schauen. Warum? Nun, +gleucklichweise nicht als Selbstzweck. Die Standard-Serien, -Filme +und auch Spiele haben fuer mich alle nur einen Zweck: Gemeinschaft +erleben. Allein schauen wuerde fuer mich nicht im Traum einfallen. +Dabei gibt es natuerlich jede Menge bessere Alternativen, ja, aber +es ist ein Anfang bei etwas, das nicht meine Staerke ist. + +Den zweiten Grund hast du eigentlich schon erwaehnt: Die Angst doch +etwas zu verpassen, dass wirklich einer sofortigen Aktion bedarf oder +meine Handlungen beeinflussen koennte. Gerade was Politik und Co. an- +geht... aber koennte ich da wirklich etwas aendern? Werden die +jeweiligen Entscheidungen nicht sowieso schon ohne Ruecksicht auf die +Bevoelkerung getroffen? Ich weiss es nicht und ein Teil von mir will +es auch gar nicht wissen: Zu gross ist die Angst, das mein Traum von +Demokratie zerplatzt. + +Ciao + +--- + +Und was nehme ich jetzt persoenlich aus dem Gespraech mit? Nun, ich +werde -- mal wieder -- meine taeglichen Leselisten ausmisten und +Filme/Serien auf Eis legen, die ich nicht gemeinschaftlich schaue. +Letzetres trifft nichts, The100 habe ich damals zwar angefangen zu +schauen, aber dann doch irgendwie das Interesse verloren, das ist +also schon weg. Daher bleibt nur GoT, und das verbuche ich als +"social viewing". + +Was Websites angeht, koennte ich eignetlich fast auf alles ver- +zichten: Heise, Golem, HackerNews, FreePo.st, Liliputing -- das +Signal/Noise-Verhaeltnis ist dort einfach zu schlecht. Behalten +werde ich Fefe -- die wenigsten Sachen sind dort interessant, +aber es ist von der Menge und von der Aufmachung sehr schnell +"abzuarbeiten", ausserdem gefaellt mir sein Alternativlos-Podcast +ganz gut. Daneben kommen noch zwei Imageboards aus dazugehoerigen +IRC-Kanaelen gespeist werden... aber eigentlich koennte ich die +auch gleich mitentsorgen..mh... muss ich mich noch zu ner end- +gueltigen Entscheidung durchringen. + + +[0] http://marmaro.de/apov/txt/2016-04-14_medieninteresse.txt -- 1.7.10.4